Die n?chsten Tage verschwammen in Elyons Kopf zu einem riesigen Chaos, das wie eine Welle über ihren Kopf hinweg rauschte.
Sie waren gefüllt mit Vorbereitungen für die Reise. Viele Worte, die man st?ndig an sie richtete und die sie kaum aufnehmen konnte, da ihr Sch?del st?ndig brummte und pochte. Menschen scharrten sich jeden Tag um sie, achteten oft nicht auf Abstand und zerrten sie in verschiedene Orte damit sie bessere Entscheidungen treffen, Papiere unterschreiben oder Anordnungen geben konnte.
W?hrenddessen k?mpfte Elyon mit ihrem K?rper, der gepeinigt wurde von Schmerzen im Arm, im Magen, in den Schultern, im Kopf und einer so tiefen Ersch?pfung, dass sie das Gefühl hatte, sie watete die ganze Zeit im Wasser. Am Ende wollte Elyon nur noch weg. Weg von all den Worten, Blicken, Fragen, Entscheidungen die man an sie richtete. Zum ersten Mal war sie dankbar, ein eigenes Zimmer zu haben.
Dorthin konnte Elyon sich zurückziehen und zur Not auch alle zur Tür weisen. Sie war in einem sicheren Raum, den sie mit ihren H?nden ertastet hatte und nun kannte, obwohl ihre Sicht so schlecht geworden war. Und es wurde Nachts so dunkel, dass Elyon, w?hrend sie mit offenen Augen im Bett lag und nicht schlafen konnte, das Gefühl hatte, sie w?re nicht erblindet.
Die Einzigen, die sie ertragen konnte, waren Alina, Lenius, Gilwa und manchmal Kael, der sehr viel bürokratische Arbeit für sie übernahm.
Schlie?lich kam der Tag der Abreise. Mit brennenden Augen lie? Elyon sich von Nevins Bruder hinunter in den Hof führen. Dabei ignorierte sie seine genervte Stimme, mit der er st?ndig vor sich hingrummelte. Als sie drau?en auf dem Platz vor dem Regierungsgeb?ude standen, zeichnete sich eine gro?e, lange und schwarze Gestalt von dem verschwommenen, rostroten Geb?uden ab, die im Hintergrund standen.
Jesko brummte freundlich, als sie vor ihm anhielten und er bückte seinen Kopf. Elyon tastete nach seinem Unterkiefer und kraulte ihn.
?Bist du sicher, dass wir Jesko mitnehmen sollen??, fragte Prinz Finan.
Elyon konnte seine Bedenken verstehen, doch obwohl Jesko sehr stark von dem Fluch eingenommen war, war sie sich sicher, dass sie keine Schwierigkeiten haben würde, ihn unter Kontrolle zu bringen, sollte er sich aufb?umen.
?Er sollte bei Prinzessin in sicheren H?nden sein. Vielen Dank, Eure Hoheit, dass ihr meinen Bruder mitnehmt?, sagte Jaro mit zitternder Stimme. ?Ich hoffe, Ihr habt eine erfolgreiche Reise und eine rasche Rückkehr.?
Auch einige andere aus der Singbucht waren vor Ort, um sich von ihr zu verabschieden. Darunter auch Kael, doch Elyon schenkte ihnen allen nicht viel Aufmerksamkeit. Ihr Kopf pochte so stark, dass sie es bis in ihre Fingerkuppen spürte.
Weitere Krallen kratzten auf der gepflasterten Stra?e. Sie erkannte Lenius, dessen Gestalt so strahlend wei? war, dass er fast mehr im roten H?usermeer auffiel als Jesko. Neben ihm stand ein kleinerer Drache. Es war Alina. Beide trugen etwas auf ihrem Nacken. Es mussten Gilwa und zumindest noch Senan sein. Wer sonst noch mitkam, war Elyon egal.
?Lebt wohl?, sagte sie nur und ging auf Jesko zu, der sich auf die Pflasterstra?e legte.
?Ihr wollt wohl keine Zeit verlieren?, seufzte Finan schwer, ging auf die Knie und berührte Elyons Bein, damit sie ihren Fu? auf seine Hand legen konnte. ?Wenigstens k?nnen wir so Nevin schneller retten.?
Er half ihr auf Jeskos Nacken.
?Alle Taschen da??, fragte Elyon, als sie oben sa? und kniff die Augen leicht zusammen, w?hrend sie nach etwas Braunem suchte, dass um Jeskos Hals h?ngen sollte.
?Ich habe alles fünfmal kontrolliert. Es fehlt nichts?, gab Finan zurück, seufzte wieder. Gleich danach sa? er hinter ihr auf und hielt sich an ihren Schultern fest.
Elyon h?tte ihn am liebsten wieder hinunter geschubst, doch sie würde sich an seine Gegenwart gew?hnen müssen. Zumal er sie am besten führen konnte. Ob er bereits mit blinden Menschen zu tun hatte? Er wusste meistens auch, wann Elyon wirklich Hilfe brauchte und kam erst dann zu ihrer Seite. Alle anderen wollten ihr hingegen immer Aufgaben abnehmen, als h?tte sie neben ihrem Arm und ihrer Sicht auch noch alle anderen Gliedma?en und Sinne verloren.
?Losfliegen?, wisperte sie und Jesko sprang in die Luft.
Als der Flugwind gegen ihr Gesicht blies, schloss Elyon ihre brennenden Augen, lie? dem schwarzen Drachen freien Lauf und geno? die kühle, klare Luft.
?Was zum ... warum ist es pl?tzlich so kalt??, meckerte Finan.
Elyon ?ffnete die Augen und schnupperte in der Luft. Er hatte recht. Die kalte Luft blies viel st?rker gegen ihr Gesicht. Es erinnerte sie an den schneidenden Wind der Sturminseln, doch trockener, mit mehr Biss, als h?tte sie Minzbl?tter in ihren Nasenh?hlen.
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Elyon sah nach unten, doch sie erwartet, konnte sie nichts Genaues sehen. Ihr Herz zog sich zusammen, doch sie weigerte sich, ihrem Frust die Führung zu überlassen, stattdessen konzentrierte sie sich auf das, was sie erkennen konnte. Die Landschaft war nicht mehr r?tlich und goldgrün, sondern zeichnete sich von dunkelgrünen und grauen T?nen aus.
Jesko zog seinen K?rper nach unten und Elyon schloss die Lider, als seine Geschwindigkeit rasch zunahm und der kalte Wind ihr Tr?nen in die Augen trieb.
Als der schwarze Drache landete, sprang der Prinz als erster ab um Elyon hinunterzuhelfen.
?Wir grü?en den obersten W?chter H?hentals!?, riefen fremde Stimmen. Elyon sch?tzte auf eine Gruppe von ungef?hr zehn Menschen, die nicht weit von ihr um Lenius und Alina standen. Lenius beugte seinen Kopf, lie? seine Passagiere absteigen dann stelzte er vorsichtig zur ihr, w?hrend Senan begann, die W?chter zu unterweisen.
?Alles in Ordnung??, fragte Alina, als sie, Gilwa und Lenius bei ihr ankamen.
Elyon nickte. Bald hatte Gilwa sich an ihre Seite geheftet. Er schlang die Arme um ihr Bein und presste sein Gesicht an ihre Hüfte.
?Ich bin nicht in Ordnung! Ich stehe kurz davor in ein vollkommen fremdes Land einzumarschieren und ich wei? noch nicht einmal, ob sie unsere Sprache sprechen! Geschweige denn wie die Bewohner sind, was für Flora und Fauna und Wetter uns erwartet und wann ich in mein K?nigreich zurückkehren kann!?, rief Finan.
Keiner sagte ein Wort, doch Jesko beugte sich hinunter und was genau er tat, konnte Elyon nicht genau ausmachen, doch sie vermutete, dass er Finan mit dem Kopf anstupste. Ganz entfernt konnte sie sich daran erinnern, dass er Nevin und Finan gro?gezogen hatte. Der Drache hatte wohl noch ein paar seiner Erinnerungen behalten.
Elyon schulterte ihre Tasche und versuchte auszumachen, was die W?chtergruppe tat und besprach. Doch genau im selben Augenblick l?ste sich eine Gestalt von der Gruppe und trat auf sie zu. Dunkle Haare. Es musste Senan sein.
?Ihr müsst nur noch ein Siegel dalassen, dann k?nnt Ihr passieren, Eure Hoheiten?, sagte er und führte sie zum Tor.
Gilwa hielt sich an ihrem Hemdsaum fest und begleitete sie, w?hrend Elyon den Ring, den sie um eine Goldkette an ihrem Hals trug, unter ihrem Hemd herauszog. Wie so oft, obwohl Elyon nur unscharf die Gesichter der Menschen um sie erkennen konnte, spürte sie doch wie jeder Blick auf sie gerichtet war, w?hrend sie Senan folgte.
Sie hielten vor einer hohen Wand an. H?her als Lenius auf allen Vieren. Elyon konnte sehr schwammige Lichtreflexionen auf einer weiten, gr?ulichen Fl?che erkennen. Das Tor. Dann einen rotbraunen Rahmen. Holz. Links und rechts Grau. Entweder ging das Tor direkt in eine Art Bergwand über, oder sie hatten eine Mauer aus grauem Gestein gebaut.
?K?nnt ihr das Wachs erkennen??, fragte Senan.
Er stand vor einer Art Hütte mit einer fenster?hnlichen ?ffnung. Das Papier lag wahrscheinlich auf einer Fensterbank. Der rote Fleck war deutlich auf dem beigen Untergrund zu sehen. Elyon drückte den Ring darauf und hinterlie? ihr k?nigliches Siegel.
?Das war der letzte Schritt, Eure Hoheit. Ihr k?nnt endlich losziehen.? Er machte eine Handbewegung, dann h?rte sie ein lautes Poltern, gefolgt von einem langgezogenem ?chzen, das zeigte, wie alt und verrostet das Tor bereits war. Es ging nur sehr langsam auf.
Gilwa drückte seine Arme um Elyons Beine.
?Komm bald wieder, ja? Dann kannst du mich und alle anderen Drachen heilen, nicht wahr??
Elyon streichelte seinen Kopf und nickte.
?Pass auf dich auf. Und Danke für alles, das du für uns tust?, sagte Lenius und nickte ihr mit seinem Drachenkopf zu.
Neben ihm seufzte Alina laut. Sie hatte mehrmals gefragt, ob sie mitkommen durfte. Doch Elyon hielt es nicht für sicher. Sie w?re am liebsten alleine mit einem Riesenbüffel gezogen, um niemanden in Gefahr zu bringen. Doch in ihrem Zustand konnte sie nicht alleine reisen. Der Gedanke stach wie eine Klinge.
?Bitte, pass gut auf, und komm heil wieder?, sagte Alina mit zitternder Stimme. ?Wir denken an dich.?
?Ich komme zurück?, sagte Elyon langsam. Mehr Abschiedsworte hatte sie nicht. Sie war nicht gut darin und wollte endlich abreisen. Die kalte Luft versprach etwas Neues, dass Elyon noch nicht kannte, wenn es auch viele Gefahren bringen mochte.
Deswegen winkte sie nur kurz, dann kehrte sie allen den Rücken zu, schnalzte und ging mit Jesko an ihrer Seite durch das Tor. Sie h?tten über das Tor fliegen k?nnen, doch Elyon wollte den W?chtern wenigstens etwas Respekt zeigen, damit die Rückkehr reibungslos verlief.
?Zum verfluchten ... wehe Nevin überlebt das nicht. Wenn ich zurückkomme, hat er besser noch am Leben zu sein. Und er muss mir danach das teuerste Geschenk kaufen, dass er mir jemals gegeben hat. Ich will mindestens die H?lfte eines Guts haben.? Finan grummelte weiter vor sich hin, w?hrend sie das Tor passierten, dann half er ihr, immer noch grollend, auf Jeskos Nacken zu steigen.
?Ich bin wirklich nicht bereit, so gar nicht bereit für diese Reise?, quengelte er und setzte hinter ihr auf. Elyon hatte noch genug Geduld, um sein Gemecker zu ignorieren.
?Flieg?, sagte Elyon und Jesko folgte ihrem Wort. Zum ersten Mal seit langem, rutschte ihr der Magen nach unten, als der Drache abhob. überrascht hielt sie inne, als auch noch ihre Brust sich einengte und ein Klo? in ihrem Hals wuchs. Warum und woher es kam, konnte Elyon nicht erkl?ren.
Sie sah zurück auf den Boden, strengte ihre Augen an, um einen wei?en Fleck zu erkennen. Als sie die zwei wei?en Drachen entdeckte, die immer noch vor dem Tor standen, musste Elyon schwer schlucken. Es fühlte sich ein wenig an wie damals, als sie ihr Rudel zurückgelassen hatte. Nur ein wenig. Schnell wandte Elyon sich wieder nach vorne und nahm tief Luft. Sie richtete ihre Gedanken weg von Lenius, Alina und Gilwa auf die graue Landschaft unter ihnen, auf den Berg, der immer gr??er wurde und fragte sich mit klopfenden Herzen, was dieses geheimnisvolle Land ihr über ihre Gabe und den Fluch offenbaren würde.
ENDE BAND 1