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Erdenbeben

  Ein Zittern ging durch unseren Planeten. Wir standen da und rührten uns nicht. ?ngstlich warteten wir darauf, dass es vorbei geht. Es war nur ein kleines Beben, ganz sacht, wie wenn man einen Schlafenden wachrütteln will. Es dauerte nur kurz, vielleicht achtzehn Sekunden. Aber es war etwas Bedrohliches. Denn das Eigenartige an der Sache war, dass dieses Beben von uns allen wahrgenommen wurde. Jeder, wo er auch gerade war, egal wo auf dieser Erde, hatte es gespürt. Und noch erstaunlicher war, dass es wohl auf der ganzen Welt gleichzeitig stattfand. Unsere Nachrichtensprecher gaben uns keine Erkl?rung für dieses Ph?nomen. Die Medien schwiegen dieses Thema tot, denn es galt, eine Panik zu vermeiden. Niemand sprach offen über das Ereignis und man h?tte es wohl auch wieder vergessen. Wenn nicht...

  Ja, wenn der Himmel sich nicht einen Monat sp?ter rot gef?rbt h?tte. Es geschah so pl?tzlich, dass man nicht anders konnte, als stehen zu bleiben. Das rote Licht wanderte mit einer wahnsinnigen Geschwindigkeit über die Erde und umspannte sie wie eine Kuppel. Tag- wie Nachtseite wurden mit dem gespenstischen Rot beleuchtet, das sich nicht durch Türe aussperren lie? und in jeden Winkel hinein zu flie?en schien. Jetzt w?re die Zeit für Panik gewesen, doch Panik hatte schon keinen Sinn mehr. Es gab keinen Ort, an den man fliehen, nichts, wo man sich verstecken konnte.

  Ein paar Wochen sp?ter starb pl?tzlich der Wind. Und die Wellen. Alles war still. Die Tiere gaben keinen Laut mehr von sich. Das Meer war glatt wie ein Spiegel. Es dauerte eine Stunde. Eine Stunde in der die Ruhe so gespenstisch war, dass sich alle vor dem Sturm fürchteten, der danach kommen musste. Doch es geschah nichts. Und es geschah doch alles.

  Einen Monat danach war es erneut still. Oder stiller. Denn die Tiere schwiegen. Zumindest, dachten wir das erst. Aber dann mussten wir feststellen, dass sie alle fort waren. Alle! Die Haustiere. Die Hoftiere in den Mastbetrieben. Die Waldtiere. Die Zootiere in ihren Gehegen. Die Wildtiere, teils in Reservaten, oder mit Sendern versehen – unauffindbar. Und was am Gruseligsten war: Auch alle Fische und Insekten waren fort. Au?er uns lief nichts Lebendes mehr über den Planeten. Wir waren pl?tzlich alleine. Das war der Tag, an dem die Meisten von uns auf gaben. Gott holte die seinen zu sich, so sagten viele, und wir geh?rten nicht dazu. Ein paar brachten sich um. Andere verfielen in Fatalismus, weil sie sagten, ohne Tiere wird die Welt ohnehin bald sterben. Wenn sich die Pflanzen, die wir essen k?nnen, nicht mehr vermehren... Wie lustig.

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  Denn es war eine Woche danach, die Weltpolitik kriselte bereits und viele Menschen hatten sich in den Tod gestürzt, da ?ffneten sich eines Tages die Blumen nicht mehr. Auch Bl?tter, die noch an Pflanzen eingerollt waren, entfalteten sich nicht. Und am Tag danach mussten wir feststellen, dass die Bl?tter, die schon da waren, sehr schnell gelb wurden und herab fielen. Die Erde starb. Und wir mit ihr.

  Von Krieg war viel die Rede. Vom letzten Gefecht der Menschheit. Ich und mein Bruder glaubten nicht daran. Wir hatten unser Leben, so kurz es war, immer versucht das Beste zu tun. Wir hatten uns nichts vor zu werfen. Er kam eines Abends zu mir, vier Monate nach dem Beben, die B?ume vor unserem Haus waren bereits kahl. Er hatte einen teuren Rotwein mit gebracht. Er fragte mich: ?Hast du noch deine Pillen?“ Er war immer verst?ndnisvoll gewesen. Und ich verstand ihn auch. Als ich nickte meinte er: ?Wir setzen uns aufs Dach und sehen uns den Sonnenaufgang an. Dann haben wir nochmal was Sch?nes gesehen...“

  Also setzten wir uns aufs Dach. Und warteten. Und warteten. Sprachen über unsere Kindheit. über die Tr?ume und Ziele, die wir einst hatten. über unsere Eltern und die ehemaligen Freunde. Seine Ex und meinen verstorbenen Mann. Unseren Hund, und seine Katzen, die er nun sehr vermisste. Und warteten. Irgendwann sahen wir auf die Uhr. Und es gab keinen Zweifel: es war bereits kurz vor Mittagszeit. Aber die Sonne war nicht aufgegangen. Da war uns klar: Sie würde nie wieder aufgehen. Also nahm ich ein Glas und gab ihm einen Blister. Als wir getrunken hatten, hielten wir uns ganz fest. Als mir schon schwindlig wurde, flüsterte er: ?Wer als erstes da ist...“ ?...h?lt dem anderen den Platz frei.“, beendete ich unseren Spruch. Und als die Welt wieder zitterte, da schliefen wir schon friedlich.

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