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2.2 Der zweite Monat

  ?Faja! Faja! Der W?chter ist hier! Er ist hier!?, rief Gunnars jüngste Tochter. Ihre dunkelblauen Augen leuchteten vor Aufregung, als sie in die Küche hineingestürmt kam.

  ?Seid ihr bereit??, fragte Gunnar mit einem Blick auf Elyon und Finan, die am Küchentisch sa?en, die vollgepackten Taschen zu ihren Fü?en. Erda hatte sie mit so vielen Dingen ausgestattet, dass Finan sich fast nicht mehr davor fürchtete, in dieser K?lte zu reisen. Er fing jetzt schon an zu schwitzen und er konnte sich nicht mehr daran erinnern, wie viele tausend Schichten er angezogen hatte. Er war dankbar für die W?rme, doch gepeinigt von seinem braunen, trüben Mantel und den groben, h?sslichen Stiefeln, die er anziehen musste. Wenigstens war Erdas Schal, den sie selbst gestrickte hatte, sch?n. Er war blau wei? gemustert und würde sicherlich seine grünblauen Augen zur Geltung bringen.

  Sie bewegten sich Richtung Tür, Erda und Gunnar folgten ihnen nach drau?en.

  ?Oh, ihr zwei! Ich werde euch vermissen!?, sagte Erda mit zitternder Stimme und ihre Hand drückte Finans Schulter, kurz, aber fest.

  Auf dem Dorfplatz hatten sich bereits einige Einwohner versammelt. Die engste Menschentraube, war um ein riesiges, wei?es Tier versammelt. Finan hielt inne und starrte es an. Ein waschechter Drache stand vor ihm. Mit wei?em Fell, heller als der Schnee um sie herum. Es hatte gelbe Augen und kleine graue H?rnern vor seinen langen Ohren.

  Das war ein Tier. Kein Mensch. Jetzt wo es vor ihm stand, merkte Finan zum ersten Mal, dass Jesko niemals ein echter Drache war. Es gab etwas in den gelben Augen, ein Ausdsruck, die Form der Pupille, die etwas Wildes und Gewaltiges hatte, das Jesko fehlte.

  Als sie an den Einwohnern vorbei zu dem Tier traten, stand ein junger Mann mit hellrotem Haar direkt neben dem Drachen und kraulte seine Schulter. Seine hellblauen Augen trafen Finans und sein sommersprossiges Gesicht ?ffnete sich mit einem breiten L?cheln. Doch das, was Finan am meisten ins Auge fiel, war der wundersch?ne samtene, grüne Mantel, den der junge Mann trug. Er musste unbedingt wissen, wo er sich ebenfalls so einen kaufen konnte und aus den grauen Trostklamotten raus.

  ?Ihr seid die Besucher aus dem Verschlossenem Westen, nicht wahr? Mein Name ist Janne und ich bin begeistert, euch kennenlernen zu dürfen! Wahnsinn! Aus dem Verschlossenem Westen! Ich kann es kaum fassen!?

  Er hielt ihnen die rechte Handfl?che hin und zog seine Finger leicht in Richtung seines Handgelenks. Elyon und Finan hatten die Begrü?ung gelernt. Finan hakte als erster seine Finger in seine ein und schüttelte dreimal die ineinander gehakten H?nde, dann tippte er Elyon leicht an und sie streckte ihre linke Hand aus. Janne starrte sie etwas unbeholfen an, doch dann wechselte er ebenfalls zu seiner linken und begrü?te Elyon. Dann blieben die hellen Augen des W?chters an Elyons Gesicht h?ngen. Er starrte Elyon an, als w?re sie ein ebenso erstaunliches Tier wie der Drache, der hinter ihm stand. Die fast wei?en Narben waren auch sehr auff?llig. Ob Elyon das Starren bemerkte, konnte Finan nicht sagen. Sie sah so düster drein, wie immer. Schlie?lich fing Janne sich, l?ste sich von Elyon er sich zu fangen und sah beide l?chelnd an.

  ?Ich hab geh?rt ihr habt einen Lufthund dabei, doch anscheinend ist es nur ein Faltafnir??

  Finan sah fragend zu Elyon doch auch ihr Gesicht verriet nur Verwirrung.

  ?Lufthund??, fragte die Prinzessin vorsichtig.

  Janne zeigte auf den wei?en Drachen hinter ihm. ?Das ist ein Lufthund. Meine Familie, der Flyga-Stamm wacht über sie und jedes Familienmitglied zieht sein eigenes gro?. Manchmal werden sie auch besonderen W?chtern in der W?chterstadt anvertraut.?

  Lufthund. Sie waren also tats?chlich eine ganz gew?hnliche Spezies in Gerwenen. Elyon hatte ihre Augen zusammengekniffen und Finan flüsterte ihr kurz ins Ohr, was für ein Wesen da gerade vor ihnen stand. Sie machte den Mund auf und schien eisern auf das Tier zu starren, als k?nnte sie es mit ihren vernarbten Augen erfassen, wenn sie es nur lange genug betrachtete.

  Gunnar und Erda schlo?en zu ihnen auf.

  ?Wir haben ihn zur Sicherheit in einem Schuppen warten lassen, um deinen Flughund nicht zu verschrecken?, erkl?rte Gunnar. ?Es sollte ein Faltafnir sein, ursprünglich ein Mensch. Dein Tier wird sicher nicht davon begeistert sein.?

  ?Gute Idee.? Janne nickte. ?K?nntet ihr mich zu ihm führen??

  Elyon ging voran zu dem gro?en Schuppen neben Gunnars und Erdas Haus. Sobald sie in den dunklen Raum hineinschlüpfte, japste Jesko vor Freude und trat auf Finan und Elyon zu, um sich Streicheleinheiten zu holen.

  Janne erstarrte, z?gerte, noch weiter in den Raum zu gehen und betrachtete Jesko.

  ?Das ist ... anders ... als ich erwartet hatte.?

  ?Kannst du ihm helfen? Er ist eigentlich ein Mensch?, sagte Elyon.

  Finan hielt ein mürrisches Ger?usch zurück, als er schon wieder Elyon in ganzen S?tzen sprechen h?rte.

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  Janne schüttelte den Kopf. ?Wir k?nnen keine korrupten Gaben oder Faltafnir heilen, doch wir haben Verbindungen zu den ?stlichen K?nigreichen, die sich gut damit auskennen. Vielleicht k?nnen sie uns helfen.? Der junge Mann strich sich mit dem Finger über sein Kinn, w?hrend er Jesko beobachtete. Danach bat er Gunnar alle Dorfeinwohner fernzuhalten, w?hrend sie gemeinsam in Jeskos Begleitung zu dem Flughund zurückkehrten.

  Sobald Jesko in Sicht kam, fing das wei?e Tier an zu knurren.

  ?Ruhig, ruhig, alles gut?, raunte Janne ihm zu.

  ?Jesko?, flüsterte Elyon.

  Sofort duckte Jesko sich, legte die Ohren an und winselte.

  ?Siehst du, M?dchen? Es gibt keinen Grund, sich aufzuregen.? Janne streichelte die Flughündin weiter. Für einen Moment, h?rte das Knurren auf, doch das wei?e Tier zeigte immer noch die Z?hne, die gelben Augen lie?en keinen Augenblick von Jesko ab.

  ?Sie müssen mit uns verreisen. Du wirst es aushalten müssen?, sagte Janne zu ihr.

  Die Hündin nieste, drehte ihnen den Rücken zu und schritt vom Platz weg.

  ?Ich muss ihr hinterher, ich warte am Tor auf euch, w?hrenddessen k?nnt ihr euch verabschieden.?

  Als der W?chter hinter der Mauer verschwand, tauchten die Bewohner wieder auf und versammelten sich um Elyon und Finan. Gunnar trat mit dem Rest seiner Familie zu ihnen und hob die Hand. Da erhoben alle ihre Stimmen.

  Mit gro?em Staunen blickte Finan um sich, w?hrend sie eingehüllt von dem langgezogenen, luftigen Gesang der Dorfeinwohner wurden. Dann fingen zwei Stimmen anstatt T?ne, Worte zu singen:

  Wandern musst du, um dein Weg zu finden

  Leicht wird er nicht immer sein

  Doch unsere Stimmen tragen

  Unsere Wünsche und auch dein

  Hoch zu Luojas Ebenen

  Der wei?, wer du k?nntest wirklich sein

  Und m?ge er dir in diesem Leben zeigen

  All die Freuden, die er sich erdacht hat

  Du bist die unsere und wir hoffen, wir sind auch dein

  Die Stimmen klangen langsam ab und Gunnar und Erda traten auf sie zu.

  ?Hier im südlichen Gerwenen, schicken wir Reisende nie ohne ein Abschiedslied weiter. M?gen eure Wege frei und sicher sein, Elyon und Finan. Und wir hoffen, dass ihr alle Antworten findet, nach denen ihr sucht. Ihr zwei seid jederzeit willkommen, sollte eurer Weg euch wieder hier durch den Süden führen?, sagte Gunnar, breitete seine Arme aus und drückte beide, Finan und Elyon gleichzeitig an seine Brust.

  Elyon grunzte leise und überrascht. Finans Rücken knackte, doch er hatte schon so lange keine Umarmung mehr gehabt, dass es ihm nichts ausmachte, wenn ein paar Knochen dabei strapaziert wurden.

  ?Danke für eure Hilfe. Wir hoffen, dass wir nicht zu viele Umst?nde gemacht haben?, sagte Elyon leise.

  ?Es war eigentlich echt nett mit euch, trotz dem Wetter. Vielen Dank, dass ihr uns so herzlich aufgenommen habt.? Finan spürte sogar, wie eine verr?terische N?sse in seinen Augen auftauchte. Aber er redete sich ein, dass es nur die K?lte war.

  Unter Rufen und Winken, verlie?en Jesko, Finan und Elyon das Dorf und trafen Janne am Tor. Die Flughündin kaute gerade an einem Stück Fleisch, doch als sie Jesko sah, schluckte sie es auf einmal hinunter und knurrte ihn wütend an. Ihr langer Schwanz zuckte unruhig hin und her.

  ?Lasst uns ein wenig gehen, ehe wir zum Flug abheben. Vielleicht beruhigt Alda sich dann?, sagte Janne und führte sie um das Dorf herum aus dem Tal, in Richtung einer hügeligen Landschaft, das mit einer makellosen wei?en Schneedecke bedeckt war. Er konnte ein leises St?hnen nicht unterdrücken. Er spürte jetzt schon die Anstrengung in den Beinen, obwohl sie gerade erst anfingen, sich durch den Schnee zu k?mpfen. Dummerweise war heute ein heller Tag. Das Wei? strahlte so heftig Finans Augen, dass ihm die Tr?nen über das Gesicht flossen. Er sah nach Elyon. Sie hielt sich an Jeskos Seite fest und lie? sich von ihm führen. Ihre Augen hatte sie geschlossen.

  ?Ihr hattet übrigens unheimliches Glück?, rief Janne über seine Schulter, da er einige Schritte vorauslaufen musste. ?Nicht alle D?rfer sind so herzlich gegenüber Fremde und einige sind für Menschen mit verbundenen Gaben besonders gef?hrlich, wenn wir alleine unterwegs sind. Sie fangen uns ein, versklaven uns oder noch schlimmer.?

  ?Warum? Wenn alle Gaben haben, sollten doch auch alle gleichwertig sein??, rief Finan.

  ?Jeder hat eine Gabe, doch nicht jeder sieht jede Gabe als gleichwertig an. Einige sind eifersüchtig auf verbundene Gaben, die, sagen wir mal, etwas tiefer mit der Natur verbunden sind als andere. Einige wiederum, erkenne diese als etwas wider der Natur und wollen sie vernichten. So wie es anscheinend bei euch geschehen ist.?

  ?Was meinst du damit??, fragte Finan.

  ?Ich habe mal etwas über eurer Land in alten Büchern gelesen. Früher waren wir recht eng mit den W?chtern aus dem Westen verbunden. Auch ihr hattet W?chter der Jahreszeiten, der Pflanzen, der Tiere, der Elemente. Doch das ist schon lange her. Nachdem die Sache mit K?nig Elyon passiert ist, hatten wir keinen Zutritt mehr und so wie ich es gelernt habe, waren H?hental und das Kaiserreich wohl damit besch?ftigt, alle W?chter der Gaben auszumerzen und jedes Wissen darüber und über Luoja, sowie andere Religionen zu vernichten. Da wir nicht mitgezogen sind, haben sie die Grenzen für uns gesperrt. übrigens, du hei?t doch Elyon, oder? Doch du scheinst ein M?dchen zu sein. Wie kommt es, dass du den Namen eines K?nigs bekommen hast??

  ?Ich bin ein Nachkomme von K?nig Elyon. Ich wurde von meiner Mutter als Junge ausgegeben.?

  ?Das w?re auch mal eine Geschichte, die ich gerne h?ren würde?, gab Finan zu.

  ?Das klingt wirklich nach einer guten Geschichte. Ich würde sie gerne h?ren, wenn du nichts dagegen hast, Elyon. Aber bei unserer n?chsten Rast. Es scheint so, als h?tte sich Fr?ulein Missmut hier eingekriegt. Wir sollten fliegen k?nnen. Eurer Flughund kann doch fliegen, oder??

  Jesko hielt an, legte sich in den Schnee und Elyon fühlte sich bis zu seinem Nacken vor. Finan half ihr nicht, sondern wartete, bis Elyon oben auf Jeskos Nacken sa? und setzte sich dann erst hinter ihr.

  ?Folge dem wei?en Flughund?, sagte Finan erleichtert, da sie nun endlich nicht mehr laufen mussten und sie flogen ab.

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