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7.1 Alinas Weggefährtin

  Brennende Kehle. Die Zunge so trocken, dass es wehtat sie zu bewegen. Alina schlug die Augen auf. Wo war sie? Was war passiert? Sie wollte den Kopf heben, sich umschauen, doch ihr K?rper und ihre Gedanken waren so tr?ge, dass es einfacher war, die Augen wieder zu schlie?en und sich der Ersch?pfung hinzugeben. Für immer schlafen. Zu vergessen. Es war so verlockend.

  Alina seufzte laut durch ihre Drachennüstern. Vergessen, dass sie ein Ungeheuer war. Vergessen, dass sie nie wieder nach Hause konnte. Aiven, ihre Geschwister, ihre Eltern, das M?dchen.

  Alina fuhr hoch. Das M?dchen! Sie zwang sich auf die Beine und blinzelte, bis ihre Sicht sich wieder sch?rfte.

  Nicht weit von ihr lag ein Haufen ?ste. Ein paar Waffen und eine Tasche waren an einem Felsen angelehnt. Der Geruch von Kiefern hing in der Luft. Dazwischen Schwei? und der teigige Hautgeruch des M?dchens. Alina h?tte gerne gewusst, wie ihr Instinkt ihr mitteilte, dass das Kind weiblich war. Als etwas Scharfes in ihren Nüstern brannte, musste sie ein paar Mal niesen, ehe sie seinem Ursprung nachging. Es waren die Flecken auf ihrem K?rper. Grünliche Flecken, die sich mit Blut auf ihrem Fell zu einer klebrigen Masse vermischt hatten. Ganz dunkle Erinnerungen kamen wieder hoch. Ein Kampf. Sie war geflogen.

  Alina nieste wieder und suchte weiter nach dem M?dchen. Ihre F?hrte hing wie ein Faden in der Luft und führte sie einen leichten Abhang hinunter. Sie musste den grauen Felsen und den Nadelb?umen ausweichen, bis sie das Tal erreichte, wo eine gro?e Gruppe von mehreren Seen und Teichen den grauen Himmel widerspiegelten.

  Wasser. Jede Menge davon. Das M?dchen stand in einem Teich, nahe dem Ufer und wusch sich die Haare. Alina ignorierte sie, denn sie hatte nur noch Augen für den riesigen See, gleich neben dem Teich. Sie stürzte sich ins kühle Nass hinein, ?ffnete ihr Maul und trank. Rote Schwaden wirbelten um sie herum. Alina schloss ihr Maul wieder und schwamm so lange im klaren See umher, bis die roten Schwaden nachlie?en.

  Als Alina wieder auftauchte, stand das M?dchen nicht mehr im Teich, sondern beobachtete sie barfu? vom Seeufer aus. Eine kleine, dünne Gestalt, gekleidet in braunen Hosen und ein langes, altwei?es Hemd. Kurze, fast schwarze, glatte Haare umrahmten ihr zierliches Gesicht. Die Augen waren so dunkel wie ihre Haare und obwohl sie gro? wie die eines Kindes waren, lag in ihnen ein ernster Ausdruck, der sie um Jahre ?lter machte. Was Alina ebenfalls wunderte, waren die Hosen. In H?hental war es nicht ungew?hnlich, doch sie hatte geh?rt, dass es im Kaiserreich nicht schicklich war, dass M?dchen und Frauen Hosen trugen. Gab sie sich als Junge aus? Oder war sie vielleicht sogar aus H?hental?

  Neugierig trat Alina aus dem Wasser, schüttelte ihr Fell und trat an das M?dchen heran. Es sah ihr nicht in die Augen. Was Alina irritierte und sie zum Stehen brachte. Das Kind setzte sich hin und beugte ihren Oberk?rper, als wollte sie sich so klein wie m?glich machen.

  Alinas Kopf war nur noch zwei Schritte von ihr entfernt. Die Haltung, der ruhige Ausdruck kamen ihr bekannt vor. So ?hnlich n?herte sie sich auch scheuen Pferden. Doch Alina war kein scheues Tier. Sie steckte nur im K?rper eines Ungeheuers fest. Ein Winseln bahnte sich durch ihre Kehle. Sie schluckte, um es zu unterdrücken. Ein Winseln würde sie nicht weiter bringen. Sie brauchte Worte. Mit klopfenden Herzen kam sie n?her. Aufregung, gemischt mit Freude trieb sie an, auch wenn sie noch ein wenig Angst hatte, dass das M?dchen, genau wie alle anderen, sie angreifen würde. Doch sie sah weder ?ngstlich noch angriffslustig aus.

  Was sollte sie nun tun? Sprechen ging nicht. Obwohl sie so viel zu sagen h?tte. Dass das M?dchen Alina nicht mal in die Augen sah, half auch nicht. Schnaubend trat sie zurück. Da hob das M?dchen fragend den Kopf. Endlich trafen sich ihre Blicke. Alina n?herte sich wieder. Fieberhaft überlegte sie, was sie tun konnte, um sich mit dem M?dchen zu verst?ndigen.

  Das Erste, was ihr einfiel, war mit dem Schwanz zu wedeln. Wie ein Hund. Im selben Augenblick, streckte das M?dchen langsam ihre Hand aus. Alina hielt inne. Wofür streckte sie die Hand aus? Dann berührten die Finger des M?dchens ihr Kinn und kraulte es. Emp?rung stieg in ihr auf.

  Gestreichelt wie ein Hund! Von einem Kind! Am liebsten h?tte Alina ihren Kopf weggezogen. Doch sie unterdrückte den Drang. Stattdessen stampfte sie nur kurz mit ihrem linken Vorderbein. Das M?dchen erstarrte und beobachtete sie mit gerunzelter Stirn. Alina wollte sie nicht verschrecken. Also streckte sie dem Kind ihren Kopf entgegen und als die Finger z?gerlich über ihr Fell strichen, ertrug sie es mit starken Widerwillen.

  Ein leises L?cheln stahl sich, fast unbemerkt, auf die Lippen des M?dchens. Als sie endlich ihre Hand zurückzog, stand sie auf und ging zurück zu dem Teich, wo sie vor kurzem ihre Haare gewaschen hatte. Auf einem flachen Felsen lagen Stiefel, ein Wasserschlauch und Fische die auf St?cken aufgespie?t waren. Alina folgte ihr, als sie begann den Anhang zurück zum Lager zu erklimmen.

  Sobald sie oben waren, lief das M?dchen gesch?ftig hin und her. Alina konnte nichts sagen und wusste nichts zu tun, deshalb legte sie sich hin und beobachtete. Die Fische steckte das Kind in der N?he der geh?uften ?ste in die Erde. Bewaffnet mit Zunder und einem Feuerstein, kniete sie sich vor den ?sten hin. Sobald das trockene Holz die Funken aufgefangen hatte und eine Flamme sich entwickelte, zog das M?dchen ihre Tasche an das Feuer heran und holte ein Heft und etwas Grafit heraus. Beide teure Gegenst?nde. Ihre Stiefel sahen genauso robust aus wie ihre eigenen, die sie als W?chterin getragen hatte. Wenn das M?dchen aus einem so wohlhabenden Haus kam, warum war sie alleine in der Wildnis? Alina seufzte. Sie wusste noch nicht mal ihren Namen.

  Das M?dchen sah kurz von ihrem Heft auf, dann senkte sie wieder ihren Blick. Die dunklen Striche formten sich zu einer schnellen Skizze von Alinas Kopf und darunter eine Zeichnung ihres ganzen K?rpers. Noch v?llig vertieft in ihrem Heft, griff das kleine M?dchen nach einem der St?cke in der N?he des Feuers. Alina brummte leise, da der Fisch noch roh war, doch das M?dchen biss unbekümmert ein Stück ab. Sie verzog ihre Nüstern und wandte sich angewidert ab.

  Doch dann wehte ihr der Geruch der ger?ucherten Fischhaut entgegen. Alina wandte sich wieder dem Feuer hin und konnte den Blick nicht mehr abwenden. Speichel sammelte sich in ihrem Mund und sie bemerkte es erst, als es in langen F?den von ihrem Maul hing. Sie schluckte schwer und tat einen verlegenen Schritt zum Lagerfeuer hin. Sie starrte auf die Fische, dann zurück auf das M?dchen. Unaufh?rlich. Irgendwann fiel es ihr endlich auf und das M?dchen lie? von ihrem halb aufgegessenem Fisch ab.

  This tale has been unlawfully lifted from Royal Road; report any instances of this story if found elsewhere.

  Alina winselte und nippte ihren Kopf in Richtung der Fische. Wie vom Donner gerührt sa? das M?dchen da, ihre Augen weit aufgerissen.

  ?Fisch??, fragte sie vorsichtig. Alina nickte und winselte.

  ?Verstehen? Mich??, wisperte das M?dchen. Der Stock fiel aus ihrer Hand.

  Alina nickte begeistert. Hastig wischte das Kind die H?nde an ihrer Hose ab, beugte sich über ihr Heft und kritzelte schnell ein paar unleserliche Zeichen auf das hellbraune Pergament. Dazwischen sah sie kurz auf und zeigte nickend auf die Fische.

  Alina stürzte sich auf das halbrohe Mahl und nagte einen Fisch nach dem anderen von den St?cken ab. Ihre Gedanken verschwanden aus ihrem Kopf. Sie konnte nur noch an das Fleisch denken, die Gr?ten die ihre Z?hne zu feinem Brei zermalmten. Das Blut auf ihrer Zunge. Sie verschlang alle fünf und leckte gierig die St?cke ab. Mit jedem Fisch pochte die Wunde in ihrem Bein st?rker, bis ein Stich durch ihren K?rper sie auffahren lie?. Hitze breitete sich in ihr aus. Sie schüttelte den Kopf. Doch das Gefühl lie? sie nicht los. Ohne es zu wollen, kr?uselte sich ihre Nase und bleckte ihre Z?hne. Sie stampfte mit ihren Beinen, krümmte sich zusammen um dieses komische Gefühl, das sich in ihr ausbreitete loszuwerden. Das Lagerfeuer verschwamm vor ihren Augen.

  ?Ruhig! Ruhig!?

  Alina ?ffnete die Augen. Das M?dchen stand neben ihr und streichelte Alinas Schulter. Sie hielt etwas in der Hand. Es roch blumig und leicht rauchig. Dann hielt sie es Alina entgegen. Es war ein getrocknetes Kraut.

  Der blumige Duft kl?rte ihren Kopf. Gleichzeitig wollte sie sich davon abwenden. Dem Geruch entgehen. Doch das kam nicht von ihr. Das war die Hitze, die Wut. Alina zwang ihre Nase n?her an die getrocknete Pflanze heran und saugte den Geruch ein. Die Hitze l?ste sich in ihrem Kopf auf. Das M?dchen schob das Kraut gegen Alinas Lippen. Vorsichtig streckte Alina die Zunge heraus und tastete daran. Es schmeckte bitter. Angewidert zog sie den Kopf zurück.

  ?Beruhigend?, sagte das M?dchen.

  Alina ?ffnete langsam ihr Maul und das M?dchen legte das getrocknete Kraut auf ihre Zunge. Schnell schluckte sie es hinunter. Die unangenehme Hitze pochte immer noch von der Wunde aus in ihren K?rper. Doch es lie? mit jedem Pochen nach.

  Alina legte sich nahe an das Feuer hin und seufzte erleichtert. Doch gleich danach, breitete sich ein unruhiges Gefühl in ihr aus und sie starrte hilfesuchend auf das M?dchen. Was geschah mit ihr? Warum verlor sie immer wieder die Kontrolle über sich selbst? Es war zum verrückt werden. Hier war jemand, mit dem sie sich h?tte unterhalten k?nnen und um Hilfe bitten, doch sie konnte nur Drachenlaute von sich geben. Wie hatten die anderen Drachen es nur gemacht? Dass sie immer noch sprechen konnten? Wie hatte sich der kleine Junge einfach so nach seinem Willen verwandeln k?nnen?

  Alina seufzte. Das Pochen war verschwunden. Dafür legte sich Müdigkeit wie Blei über ihren K?rper und zwang sie sich hinzulegen. Sie schloss die Augen. Ihre Gedanken schmolzen zu wirren Bildern von Drachen und Aiven und dem M?dchen zusammen. Erst als sie den w?sserigen Duft von Fischen aufnahm, regte sie sich wieder. Verwirrt blinzelte sie um sich. Es war Abend. Das M?dchen legte gerade Holz ins Feuer nach. Sie hatte den halben Tag verschlafen.

  Ihr Magen zog sich schmerzhaft zusammen. Essen. Sie brauchte Essen. Alina brummte. Das M?dchen legte weitere ?ste ins Feuer. Alina stand auf, ?ffnete ihr Maul und gab ein r?hrendes Ger?usch von sich. Die Kleine drehte sich um und runzelte die Stirn. Sie richtete ihre Schnauze in Richtung der Fische.

  ?Nein.?

  Alina murrte. Wieder runzelte die Kleine die Stirn. Alina winselte flehend.

  ?Nein. Selbst jagen.?

  Entgeistert setzte Alina sich hin. Jagen? Wie sollte sie das anstellen? Sie hatte Krallen. Und scharfe Z?hne. Doch wenn sie nicht gerade von der seltsamen Wut beherrscht wurde, wusste sie nicht, wie sie diese einsetzen sollte. Selbst als Mensch hatte sie nie gejagt. Ihr Fell str?ubte sich bei dem Gedanken, wieder ein Lebewesen zu t?ten. Sie r?hrte wieder. Klagend.

  Doch das M?dchen ignorierte sie und a? beide Fische alleine auf. Alina winselte leise. Das Kind rührte sich nicht von der Stelle. Murrend stieg Alina den Abhang hinab. Sie blieb vor einem der Seen stehen und starrte auf die Fische. Dann starrte sie auf ihre Krallen. Dann wieder auf die Fische. Ersch?pfung überkam sie. Jeder Ansporn verschwand, selbst der Hunger und sie gab das Jagen auf. Sie trank etwas Wasser und kehrte zurück zum Lager.

  Das M?dchen sa? immer noch beim Feuer. Verschiedene Pflanzen lagen in ordentlichen Haufen vor ihr und sie band sie zu kleinen Bündeln zusammen. Die Kr?uter in ihren H?nden füllten die Abendluft mit ihrem scharfen, sü?lichen Geruch. Eine der Pflanzen erkannte Alina wieder. Ein r?tliches, hartes Kraut mit winzigen Bl?ttern, dass in H?hental gegen Fieber eingesetzt wurde.

  Wie alt das M?dchen wohl war? Sie sah so jung aus, und doch fand sie sich selbstst?ndig in dieser menschenleeren Gegend zurecht. Kannte sich mit Kr?utern aus und konnte Fische ohne eine Angel jagen. Die reichen Familien in H?hental wussten noch nicht mal, wie man eine einfache Schnittwunde behandelte. Wer war dieses Kind? Und wie konnte Alina mehr über sie herausfinden?

  Das M?dchen lie? die Kr?uter in der N?he des Lagers liegen und begann trockene ?ste und Laub einzusammeln um sie in der N?he des Feuers auszubreiten. Dann legte sie eine Filzdecke darüber und zog den grauen Pelzumhang aus, den sie immer um die Schultern trug. Sie kroch unter den Pelz, so dass nur noch ein Büschel von ihrem dunklen Haar zu sehen war.

  Alina blieb auf der Stelle liegen. H?rte dem Knacken des Feuers zu. Wartete darauf, dass sich der Atem des M?dchens verlangsamte. Als es leise seufzte, stand Alina auf und schlich mit schwerelosen Schritten zu dem Pelzbündel hin. Das M?dchen regte sich nicht. Doch sie schlief nicht. Ihr Atem war nicht ruhig genug. Und ihr Geruch, leicht sauer, als h?tte sie ein wenig Angst.

  Alina ging einen Schritt zurück. Das Kind spürte, dass sie nahe war. Doch statt sich ganz zurückzuziehen, legte Alina sich im Halbkreis um sie herum. Ihren Kopf streckte sie der W?rme des Feuers entgegen und seufzte zufrieden. Sie erinnerte sich an die N?chte zu Beginn ihrer Ausbildung. Als sie Aya gerade bekommen hatte und sie abrichten musste. Sie hatte mehrere N?chte in der N?he von Ayas Nest verbracht, um sich mit dem Vogel anzufreunden. Ein Stich fuhr durch ihre Brust. Was war mit Aya geschehen? Wie ging es ihrem Bruder? War er zuhause? Oder noch in der Hauptstadt?

  Ein Winseln schlüpfte aus ihrer Kehle, ohne das sie es wollte. Alina spitzte ihre Ohren. Doch es war still. Vielleicht war das Kind inzwischen eingeschlafen. Sie lie? dem Winseln freien Lauf. Da h?rte sie ein leises Rascheln. Das M?dchen regte sich. Alina beobachtete es von der Seite. Es stand auf, zog ihr Lager n?her an Alinas K?rper heran und schmiegte sich an ihrem Fell.

  überrascht hob Alina den Kopf. Doch ihre Augen t?uschten sie nicht. Das Kind lag mit dem Gesicht dicht an ihrem Fell. Die Augen friedlich geschlossen. Als würde es neben einem Hund liegen, statt einem gef?hrlichen Ungeheuer. Ein warmes Gefühl breitete sich in Alinas Bauch aus. Das Winseln klang ab. Mit dem M?dchen an der Seite, schlief sie ein.

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