?Klopf, klopf!“, ert?nte es. Der Junge musste ein paar Sekunden warten, dann ?ffnete sich die Türe vor ihm. ?Oh, guten Abend, Wenzel!“, begrü?te Irnfrid ihn. Sie trug ihre Haare offen. ?Guten Abend. Ich bin hier, um mit dem Feldmarschall zu sprechen. Es ist wichtig“, nannte er den Grund der sp?ten St?rung. Er versuchte mit seiner Mimik zu kommunizieren, dass sein Anliegen ein ernstes war. Es war nicht klar, ob sie dies auch so verstanden hatte. So oder so war es ungew?hnlich für Wenzel bei ihnen so vorbeizuschauen. Um ehrlich zu sein, hatte er die beiden bisher noch nie privat besucht. Mit freundlichem L?cheln antwortete die Dame: ?Sicher doch! Komm nur rein. Ich sag ihm, dass du da bist.“ Hinter dem Burschen stand Brahm. Er bat diesen vor der Türe zu warten, fügte aber hinzu, dass es sehr leicht l?nger dauern k?nnte. Sein Leibw?chter best?tigte nur und machte es sich vor dem Eingang ?bequem“, wenn man es so nennen m?chte. Wenzels Heim wurde derweil von Ferenc bewacht.
Der Junge trat ein und schloss die Tür hinter sich. Aus einem der Zimmer trat der riesige B?r, der sich Theodor nannte. In Ehrfurcht blickte Wenzel zu diesem hinauf, als dieser vor ihn trat. ?Hallo. Was gibt’s?“, fragte ihn der Mann. Mit etwas unterdrückter Stimme begann der Junge zu sprechen: ?Ich würde gerne mit dir etwas sehr Wichtiges besprechen. Dafür sollten wir aber alleine sein.“ - ?In Ordnung. Wir k?nnen uns einfach dort reinsetzen“, entgegnete Theodor nach kurzem überlegen. Er zeigte in Richtung seines ziemlich winzigen Arbeitsk?mmerchens. ?Wie immer es dir recht ist“, meinte sein Besucher. ?Kann ich euch einen Tee oder sowas anbieten? Will jemand was?“, kam das gastfreundliche Angebot von Irnfrid. Freundlich l?chelte sie Wenzel an, im Gegensatz zu ihrem Mann, der wie immer nur einen toternsten Gesichtsausdruck trug. ?Ist sehr nett, aber nein, danke!“, lehnte er h?flich ab. Auch Theodor wollte einstweilen nichts. Dann setzten sich die beiden in das K?mmerchen und schlossen die Tür.
?Was musst du mir denn sagen, das so wichtig ist?“ Der Bursche z?gerte einen Moment und legte dann los. ?In letzter Zeit sind viele Dinge passiert, die mich überaus verunsichert haben. Und ich habe einige Sachen über dich erfahren oder zumindest geh?rt, die mich, ehrlich gesagt, an meinem Vertrauen in die Führung der Organisation zweifeln lassen. Einfach gesagt,“, er hielt kurz inne, um Mut zu fassen, ?ich wei? nicht, ob ich dir vertrauen kann oder ob du nicht irgendwelche anderen geheimen Ziele hast, von denen niemand wei?, Herr Feldmarschall. Und ich wei? nicht, ob du mich und die Organisation nur für deine eigenen Zwecke ausnutzen willst.“ Theodor schaute ihn an, als ob es eine Situation wie jede andere w?re. Sein Blick war intensiv, aber nicht zornig, eigentlich fast wie sonst auch. Der Herr dachte nach, was er antworten k?nnte. Doch Wenzel schluckte einmal und fuhr dann fort: ?Wie du vielleicht schon von Irnfrid erfahren hast, kann ich die Gedanken von Menschen lesen, wenn ich sie berühre. Das ist mein Vorschlag: Du l?sst mich deine Gedanken lesen, damit ich überprüfen kann, ob du etwas vor mir verbirgst und damit ich wieder Vertrauen in dich haben kann. Was sagst du dazu?“
Theodor schaute ihn kurz stoisch an und erwiderte: ?Du hast meine Erlaubnis.“ Dies war eine sehr erfreuliche Nachricht für Wenzel. ?Sehr gut! Die Sache k?nnte jetzt aber ein wenig dauern. Ich hab noch nicht viel übung mit dieser F?higkeit“, erkl?rte der Junge kurz. ?Wahrscheinlich werde ich einen Haufen verschiedene Erinnerungen von dir sehen.“ Dann setzte er sich direkt neben ihn auf einen Sessel und legte seine Hand auf Theodors Scheitel. Nach einem kurzen Moment der Konzentration tauchte er in dessen Kopf ein.
Alles war dunkel. Als die Finsternis verschwand, war ein kleiner Junge in einem sch?bigen Haus zu sehen. Seine Mutter, kam heran und sprach mit nerv?ser Stimme: ?Komm, Kalev! Geh hinunter in den Keller und versteck dich.“ Es war lautes Klopfen an die Türen und aggressiv klingende Rufe m?nnlicher Stimmen von drau?en zu h?ren. Im Hintergrund stand der Vater an der Türe. Man konnte nicht genau h?ren, was dieser zu den M?nnern sagte, aber es war offenbar eine sehr emotionale Unterhaltung. Die Frau dr?ngte den jungen weg und die Kellerstiege hinunter. An der Hand führte sie ihn die hinterste Ecke des Kellers und zw?ngte ihn in eine kleine, unauff?llige Nische. ?Und du kommst nicht heraus und nicht nach oben, hast du mich verstanden! Was auch immer passiert, komm ja nicht heraus, egal was du h?rst und egal was passiert. Ich werde dich wieder von hier holen, okay?“, sagte sie in zittrigem Ton. Die Angst war ihr ins Gesicht geschrieben. ?Mama, ich hab Angst!“, sagte der kleine Kalev. ?Alles wird gut. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Mama und Papa richten das schon und dann hole ich dich hier wieder ab. Aber du musst hier unten bleiben. Hast du mich verstanden?“ – ?Ja, Mama.“
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Die Frau schob noch eine Truhe vor, um ihr Kind besser zu verstecken. Dann ging sie die Treppe hoch und machte die Falltür in den Keller zu. Hier unten war nicht viel vom L?rm oben zu h?ren, nur sehr, sehr dumpf konnte man den Ansatz von irgendwas vernehmen. Der Bub hatte furchtbare Angst und rollte sich zusammen. Eine Zeit lang h?rte er laute Schreie und Erschütterungen von oben, doch dann verstummte es. Er wartete und wartete. Für ihn verging eine gefühlte Ewigkeit. Dann wartete er nochmal so lang. Das Einzige, was er sich fragte, war: ?Wer sind diese M?nner und was wollen sie?“ Seine Eltern hatten ihm nicht erkl?rt, was vor sich ging oder warum diese Leute hier waren. Sie sprachen irgendeine Sprache, die er nicht verstand. Eine weitere Ewigkeit sp?ter kroch er schlie?lich aus seinem Versteck und verlie? wieder den Keller. Von oben hatte er nun schon lange nichts mehr geh?rt. Keinen Mucks. Er ?ffnete die Luke und kletterte hinaus.
Die Einrichtung des Hauses war komplett verwüstet. Alle Schr?nke waren offen und alle Laden herausgerissen und deren Inhalt auf den Boden geschmissen. Alles lag kreuz und quer herum. ?Mama! Papa!“, rief der Bursche so laut er nur konnte. Doch niemand rührte sich. Er stieg über all das Durcheinander und ging ins n?chste Zimmer. Was hier nun auf dem Boden lag waren nicht nur allerlei Dinge, sondern auch seine Eltern. Um sie herum waren gro?e Blutlacken! In Panik rannte er zu ihnen hinüber. Er wollte sie ansprechen, rief ihre Namen ihnen laut entgegen, immer und immer wieder. Es half nichts! Sie rührten sich nicht. Seine Eltern waren tot. Diese Ausl?nder hatten sie get?tet! Der Junge begann bitterlich zu weinen. über den sterblichen überresten seiner Eltern kniend weinte er nun lange. Hinter ihm, drau?en in der Stadt waren brennende H?user durch die Fenster zu sehen und Schreie waren zu h?ren. Die Stadt war ein Schlachtfeld.
Dann wurde es dunkel und Wenzel bekam die n?chste Erinnerung zu sehen. Ein junger Mann, in dessen Gesicht die ersten Barthaare sprossen, pr?sentierte sich. Diesmal war er schon als die blutjunge Version von Theodor zu erkennen. Er war auf einem kleineren offenen Feld, das von Schnee bedeckt war. Im Hintergrund waren viele Nadelb?ume zu sehen und hohe Berge umringten die ganze Szenerie. Der junge Theodor befand sich gerade im Zweikampf gegen einen anderen K?mpfer. Beide hatten benutzen sie Speere und beide trugen sie dicke Felle und ebenso Fellmützen. Es war irre kalt. Wie wild gingen sie aufeinander los. Sie sprangen hin und her, wirbelten ihre Speere herum, um den Gegner zu verwirren und machten eine Menge Finten. Theodor war eindeutig besser. Immer wieder traf er seinen Widersacher, doch steckte selbst kein einziges Mal ein. Schlie?lich endete das Training und beide setzten sich schnaufend zu Seite.
?Dich wird ich wohl nie schlagen k?nnen, Kalev! Jedes Mal, wenn ich glaube, besser geworden zu sein, bist du in der Zwischenzeit nochmal doppelt so viel besser geworden. Wenn du so weiter machst, wirst du noch ganz nach oben bei uns kommen!“ – ?Das will ich hoffen!“, erwiderte ein selbstbewusster Kalev darauf. ?Ich werde den Kampf, den Tibor der Eiserne begonnen hat, fortführen. Allein um meiner Eltern willen, vor allem aber unseres Volkes willen.“ – ?Ja, man, diese ordanischen Hunde werden wir aus unserem Land vertreiben! All diese Schn?sel in den St?dten, werden ihr blaues Wunder erleben, wenn wir erst zurückkommen und sie für ihren Verrat an den Kascharen bezahlen müssen!“ Kalev grinste und entgegnete: ?Du sagst es!“
Von hinten kam dann ein Mann mit breiten Schultern und derselben dicken Kleidung wie die beiden trugen, heran. Als die zwei ihn erblickten, standen sie augenblicklich auf und salutierten. ?Guten Tag, Herr General!“ – ?Steht bequem“, kam es zurück. Es handelte sich um General Nadary. ?M?nner, ich hab euch ein wenig zugeschaut und muss sagen, dass ich mir viel von euch verspreche.“ – ?Vielen Dank, Herr General!“ – ?Besonders, von dir Kalev. Du hast das Potential ganz gro? zu werden. Darum lade ich dich auch heute ein, einige andere Kommandanten unserer Verteidigungsfront kennenzulernen. Talent ist wichtig, aber Kontakte zu haben ist mindestens genauso wichtig.“ – ?Vielen Dank, Herr General! Ich sch?tze diese Chance wirklich sehr“, antwortete ihm Kalev. ?Nichts zu danken, Junge. Ich habe ja auch von deinen Verdiensten bei unserem überfall in Hatarvar geh?rt. Ich denke, dass wir die F?higen f?rdern sollten und nicht nur die, mit den richtigen Beziehungen. Wir wollen ja nicht dieselben Fehler wie unsere Feinde machen.“