Es war ein warmer Tag. Die V?gel zwitscherten und die Blumen blühten. Oder zumindest war dies in den G?rten des Palastes der Fall. überall anders war noch immer gro?e Zerst?rung der Bausubstanz in Greifenburg und kaum irgendein Grün. Zwei Wachen der M?rtyrerbrigaden patrouillierten gerade vor dem Herrschaftssitz, als sie pl?tzlich sahen, wie ein kleiner schwarzer Punkt sich am Himmel bewegte. Er war entgegen der Sonne, weshalb sie fast überhaupt nicht ausmachen konnten, was er war. Sie versuchten hinzuschauen, doch mussten sich die H?nde vorhalten, da die Strahlkraft des Gestirns zu viel für ihre Augen war. Wenig sp?ter landete pl?tzlich eine Person vor der Treppe zum Palast. Als sie genau hinschauten, sahen sie, dass er eine weitere Person mit sich hatte. Wenzel war angekommen. Als er beim Haupteingang hineinspazierte, erkannten ihn die Soldaten natürlich gleich und salutierten. Die n?chstbeste Wache, die er finden konnte, befragte er nun: ?Wo sind Brahm und Ferenc? Ich muss die zwei unbedingt sprechen. Sie müssen wissen, dass ich wieder hier bin.“ – ?Brahm hat sich auf eine Suchaktion nach Euch begeben, mein Herr. Ferenc ist aber noch hier im Geb?ude. Ich werde ihn unverzüglich herholen!“ – ?Ja, bitte, tu das.“
Wenzel hatte ihn diesmal nicht davon abgehalten ihn mit ?mein Herr“ zu adressieren. Erst jetzt wurde Amalie, die natürlich mitgekommen war, tats?chlich klar, welche Position Wenzel hier hatte. Er selbst hatte davon kaum erz?hlt, da er immer wollte, dass Leute ihn als normalen Menschen behandelten. Der Bursche drehte sich nun zu ihr um. ?Wei?t du, was du jetzt tun willst oder wo du hinwillst?“ – ?Nein“, antwortete sie kurz, fügte dann aber noch hinzu, ?Ich würde gerne meine Eltern wiedersehen. Ich hoffe, dass sie einfach zu Hause sind.“ Das war natürlich in der aktuellen Lage im Land schwierig zu sagen. Wenzel würde bald darauf jemanden beordern, nach ihren Eltern in Olemar zu suchen. ?Einstweilen kannst du einfach bei uns bleiben. Ich werde es den anderen sagen.“ – ?Ist das auch wirklich kein Problem?“, erkundigte sich das M?dchen aus H?flichkeit. ?Nein, natürlich nicht.“
Schlie?lich kam Ferenc den Gang heruntergelaufen. ?Wenzel!“, rief er schon von Weitem. Als er bei ihm ankam, blieb er abrupt stehen. Es sah so aus, als h?tte er einen Moment lang etwas sagen wollen, doch dann begutachtete er den jungen Mann von oben bis unten. Etwas zu lang blieb sein Blick an dessen Augen h?ngen. Darin war nun ein kleiner glitzernder Stern zu sehen den er noch nie gesehen hatte. Mit einer Art von stiller Neugierde und Verwunderung legte seine Hand ans Kinn. Er merkte, dass der Erkorene etwas ausstrahlte, das er bisher nicht hatte. ?Ist alles okay?“, unterbrach ausgerechnet Wenzel dessen Starren und fuhr fort, ?Mir geht es n?mlich gut. Ich konnte sie retten.“ Dann stellte er seinem Freund Amalie vor, welche einen h?flichen Knicks machte, so wie sie es gelernt hatte, dass es Etiquette war. Der eher ungehobelte Ferenc, war mit all dem natürlich wenig vertraut und sagte einfach: ?Hallo.“ Dann war es aber Zeit für Wenzels Tadel. ?Was hast du dir nur gedacht, Boss! Wieso hast du uns nichts gesagt? Wir h?tten dir sicher geholfen, so weit es m?glich gewesen w?re, weil wir auf deiner Seite sind. Uns einfach anzulügen war v?llig falsch!“ Der Zauberer erwiderte: ?Du hast recht! Es tut mir wirklich leid! Ich hatte nur Angst, dass ihr mich davon abhalten wollen würdet. Es war ja auch klar, wie gef?hrlich und leichtsinnig dieses Unterfangen sein würde.“ Oberfl?chlich rügte der Kascharischst?mmige seinen Schützling nun noch, doch jeder konnte offenkundig sehen, dass er ihm schon verziehen hatte.
Der Aufenthalt in der Stadt würde aber nicht lange weilen. Am selben Tag noch suchte ihn August auf, der sich nun eines Gehstocks bediente. Der Stabschef legte ein Lippenbekenntnis seiner Erleichterung über Wenzels Wohlbefindenden nach dem jüngsten Vorfall ab und informierte ihn dann, dass sie demn?chst wieder nach Meglarsbruck, also in die ?wahre“ Hauptstadt des Reichs, umziehen würden. Genau dies taten sie dann auch. Sie hatten bereits Nachricht über den beeindruckenden Sieg ihres Heeres in der Schlacht am Archfeld erhalten, ebenso wie von der Abwehr des Kaschareneinfalls. Nach einigen Tagen des z?hen Trecks rollten die W?gen und marschierten die Truppen beim Westtor der alten Kaiserstadt hinein, also eben jenem Tor, bei dem sie sie vor wenigen Monaten noch zum Beginn ihres Feldzugs hinausgezogen waren. Sie zogen über die Stra?e, die beidseitig flankiert von den riesigen S?ulen war, deren einstige Heiligenstatuen noch fehlten. Seit der Revolution war viel an Leben in die Stadt zurückgekehrt. Fast gleichzeitig mit ihnen erreichte nun auch ein gro?er Teil der Revolutionsarmee von Norden kommend die Hauptstadt. W?hrend Ulrich noch den Abzug der übrig gebliebenen Horden sicherstellte, kehrte Theodor mittlerweile wieder zurück.
Auf den Treppen des gro?en Palastes warteten alle wichtigen Vertreter des Heiligen Ordanischen Reiches, also natürlich auch Wenzel und August, aber auch Theodors Ehefrau, Irnfrid, auf dessen Ankunft. Hufe klapperten auf dem Kopfsteinpflaster als die siegreichen M?nner anritten. Es war kein Pomp und keine Feierlichkeit. Das würde noch auf sich warten müssen. Im ersten Moment sahen sie noch nicht, was mit Theodor los war, nur, dass er einen recht kühlen Eindruck machte, fiel ihnen auf. Als er vom Pferd abstieg und die langen Stiegen zu seinem Empfangskomitee erklomm, offenbarte sich ihnen aber das Abhandensein seiner rechten Hand. Alle waren doch sehr überrascht davon, vor allem aber Irnfrid hielt sich die Hand vor den Mund. Als er das obere Ende der Treppe erreicht hatte grü?te er sie nüchtern mit ihrer Standardgru?formel. ?Preiset die M?rtyrer!“, entgegneten alle beinahe im Einklang. Keiner erw?hnte das Offensichtliche gegenüber Theodor.
Bald darauf hatten sie dann ihre gemeinsame Besprechung. Ein weiterer Kriegsrat wurde einberufen. Im gro?en Besprechungssaal sa?en dann alle wie aufgef?delt an einem langen Tisch. Am Kopfende sa?en Theodor, August und Wenzel, dann sa?en nach der Reihe eine ganze Menge an Gener?le und anderen Milit?rs. Theodor wirkte absolut niedergeschlagen. Wie immer begann August mit den Ausführungen: ?Angesichts unserer Siege auf dem Schlachtfeld haben wir von beinahe allen L?ndern Ordaniens die Bekundung ihres Anerkennens der Legitimit?t und Souver?nit?t des Heiligen Ordanischen Reiches erhalten. Das sind erst einmal sehr gute Nachrichten, aber dies ist bei Weitem noch nicht alles. Des Weiteren haben Corakien und Kascharovar ihre Unterwerfung unter das Heilige Ordanische Reich als Nachfolger des Ordanischen Bundes, verkündet. Es scheint so, dass die Zeemark, in die der Hofstaat der Usurpatoren geflohen ist, noch am Wanken ist. Sie wissen, dass sie keinen Krieg mit uns gewinnen k?nnen, aber sind auch nicht in der Lage sich einfach zu ergeben. Ich empfehle, dass wir diesbezüglich noch warten, da sich laut meinen Quellen wohl einem Putsch gegen die Regimekr?fte in der Zeemark abzeichnet.“
Unauthorized content usage: if you discover this narrative on Amazon, report the violation.
Alle Anwesenden stimmten ihm zu. Dann fuhr er fort: ?Das gr??te Problem für uns bahnt sich im Süden an. Camenia hat sich anscheinend für unabh?ngig erkl?rt und sich in ?Teleiotisches K?nigreich Camenia“ umbenannt. Klingt für mich wie eine Werbestrategie, um die Bev?lkerung ihres Landes, die zum überwiegenden Gro?teil mit den Zielen unserer Revolution übereinstimmt, davon zu überzeugen, dass ihr bisheriges Regime für ?das Richtige“ steht und somit bleiben kann. Das würde ja alles noch ganz in Ordnung klingen, aber soviel ich erfahren habe, ziehen sie im selben Atemzug auch ein Heer an ihrer Grenze zu Ordanien zusammen! Das k?nnen wir unm?glich tolerieren. Oder was meint der Rat?“
Die M?nner schauten sich erst einmal an. Wienand best?tigte ihn, indem er meinte: ?Camenia hat die Tyrannei des alten Regimes mitgetragen oder zumindest keinen Widerstand dagegen geleistet. Dadurch ist es ebenso illegitim geworden! Wir sollten sie ins Bockshorn jagen, wie wir es auch mit den anderen Herrschern gemacht haben!“ Viele stimmten ihm zu, doch ein ganz spezifischer Herr ergriff nun das Wort. Sein Name war Andreas und er war ein M?rtyrer mit camenischen Wurzeln. ?Was ich von den Umst?nden wei?, ist, dass das K?nigshaus über die Dauer der Herrschaft der Alethischen in Ordanien immer die althergebrachten Glaubenspraktiken zu bewahren versuchte. Sie wussten, dass sie nicht gegen den Bund gewinnen konnten, daher arrangierten sie sich mit ihnen. Das hei?t nicht, dass sie diese tats?chlich unterstützten. Dennoch sind sie offenbar nicht die Klügsten, wenn sie jetzt die Unabh?ngigkeit erkl?ren. Ich vermute mal, dass sie der Annahme sind, dass wir unsere Truppen durch Einberufung der wehrf?higen Bev?lkerung ausgehoben haben und nicht, weil sie sich unserer Sache freiwillig angeschlossen haben. Daher denken sie wohl, dass wir jetzt das Heer zu weiten Teilen wieder aufl?sen werden müssen.“
Selbst August h?rte interessiert zu. Dann erwiderte er: ?Würde Sinn machen, wenn sie das glauben. Es bedeutet aber auch, dass sie ihre M?nner nur für den Fall der F?lle mobilisiert haben und nicht auf einen wahren Krieg vorbereitet sind. Ich empfehle, dass wir die Gelegenheit beim Schopf packen und das Problem ein für alle Mal l?sen. Was meint ihr?“ Alle stimmten nun lauthals zu. Der Stabschef meinte dann: ?Gut, dann k?nne wir ja….“ – ?Moment!“, unterbracht ihn nun Theodor. August schaute ihn schief an und fragte: ?Stimmt der Feldmarschall etwa nicht überein?“ – ?Oh, doch, das tu ich! Ich bin auch bereit die Kampagne wieder anzuführen. Nur mache ich nichts ohne die Zustimmung des Erkorenen.“ Darauf wurde es pl?tzlich ganz still im Raum. Sogar August war sichtlich überrascht. Er atmete aus und sagte aber nichts, sondern wandte seinen Blick nur auf Wenzel hinüber. Dieser war die ganze Zeit bisher nur still dagesessen und hatte nichts gesagt. Die Blicke aller fielen nun auf ihn. Sie wussten, was die Aussage Theodors im Endeffekt bedeutete. Wenzel war von all dem in Verlegenheit versetzt sagten dann aber schlicht: ?Ich stimme mit dem Feldmarschall überein. Er wird schon wissen, ob der Feldzug Sinn macht oder nicht.“ Ein paar Sekunden vergingen. Dann hielt August fest: ?Gut. So ward es beschlossen.“
Wenige Tage sp?ter kam schlie?lich auch Brahm von seinem ?Ausflug“ zurück. Letztendlich war auch er nicht wütend auf Wenzel, sondern einfach nur froh, dass dieser wohlauf war. Als der Magier ihn fragte, wen er in Burg Münzberg angetroffen hatte, erhielt er allerdings eine überraschende Antwort. ?Niemanden! Die Burg war verlassen. Ich habe zwar versucht mich bei Einheimischen zu erkundigen, wo die sogenannte K?nigin denn hin sein k?nnte, aber niemand wusste etwas davon. Sonst h?tte ich n?mlich die Verfolgung aufgenommen.“ Wenzel entgegnete: ?Naja, seien wir froh darüber, denn sonst h?ttest du noch mehr Zeit mit einer vergeblichen Suche nach mir vergeudet.“ Die beiden waren sichtlich erfreut, dass sie alle die Ereignisse heil überstanden hatten. Dennoch war auch Brahm ein wenig stutzig und auch ihm fiel sofort auf, dass Wenzel irgendwie ein wenig anders war. Wegen der wei?en Str?hne fragte er ihn erst sp?ter, wobei er von Wenzel auch nur Spekulationen als Antwort erhielt, da dieser auch keine Ahnung hatte, woher dies kam. Brahm vermutete aber, dass es ein Zeichen von riesigem Stress war. ?Ich habe geh?rt, dass Leute über Nacht ergraut sein sollen, vor lauter Sorge um ihre Liebsten. Du kennst ja sicher das Sprichwort: Lass dir keine grauen Haare wachsen.“
Somit setzen sich die Freunde am Abend noch zusammen, einfach um ein wenig Zeit zu verbringen. Auch Amalie luden sie ein, da Wenzel sah, dass sie noch keinen hier kannte und wenig mit anderen redete. Brahm wollte eigentlich zur Feier des Tages ein wenig Bier mitnehmen, doch Ferenc redete es ihm aus, da es ?keinen guten Eindruck machen würde“. Genervt schnaufte Brahm, lie? sich aber von seinem Kollegen überreden. Dann setzten sich die vier vor Sonnenuntergang noch zusammen und plauderten über Gott und die Welt. Brahm brachte wieder ein paar seiner Witze an, über die Ferenc, wie immer, sich total wegkugelte. Amalie und Wenzel lachten eher aus H?flichkeit mit. Brahm war ein richtig netter Kerl, aber sein Humor war nicht nach deren Geschmack. Dann wurde es dunkel und Beleuchtung wurde notwendig. Der Zauberer schnippte einfach mit dem Finger und von einem Augenblick auf den anderen hatte sich die Kerze an ihrem Tisch entzündet. Beeindruckt blickte Amalie auf die Kerze, aber auch den anderen beiden imponierte dies ebenso. ?Das habe ich noch gar nicht von dir gesehen, Boss? Wo hast du denn das gelernt?“, fragte ihn nun Ferenc. Dem erwiderte der Bursche mit einem blanken Ausdruck. ?Ich….wei? es nicht. Hab ich das nicht schon immer gekonnt?“ Auf diese Antwort hinauf blickten sich seine beiden Leibw?chter an. Kurzerhand stellten sie fest: ?Nein.“
Der restliche Abend war eigentlich wirklich unterhaltsam für alle. Auch Amalie lernte seine Freunde etwas n?her kennen. Sie erz?hlte aber wieder nicht viel von dem, was ihr im letzten Jahr passiert war, sondern eher von der Zeit davor. Genauso wie Wenzel, war sie eher weniger gespr?chig. Die anderen hingegen erinnerten sich zurück an ihr Training im letzten Jahr und beschrieben ihre Eindrücke von der Schlacht um Greifenburg oder der Aufstellung der riesigen Armee der Revolution. Auch warfen sie das fast schon vergessene Thema auf, dass Wenzel nach wie vor nur zwei Leibw?chter hatte. Sie stimmten überein, dass sie diese Angelegenheit demn?chst behandeln würden müssen. Beizeiten wurde es dann schon sp?t und alle gingen zu Bett. Es wahr ein netter Abend gewesen.