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006.2 Zu Hofe (Teil 2)

  Nach der Besprechung packte Gabriela ihre Unterlagen zusammen und begab sich in ihr Arbeitszimmer. Auf den Weg dorthin durchschritt sie den gro?en Hallen des K?nigspalastes. Entgegen dem, was andere meist machten, ging sie gezielt in Richtung ihrer Destination, ohne dabei sonderlich auf die prunkvoll verzierten W?nde, Decken und S?ulen zu schauen. Ihre Gedanken waren mit etwas anderem besch?ftigt. Sie musste immer noch an die Sache mit den Duenitz denken. Diese Adelsfamilie hatte sich viele, viele Jahrzehnte gegen die Adoption der alethischen Dogmen und Praxen gewehrt, l?nger als fast alle anderen in Ordanien. Obwohl sie sich nicht gegen die Herrschaft der Sorenstein richteten, stellte dies einen Unsicherheitsfaktor, zumindest bis zu einem bestimmten Grad dar. Schlie?lich bot man ihnen, dann Privilegien in deren L?ndern an, wobei man gleichzeitig mit ?Konsequenzen“ drohte, wenn sie dieses Angebot ablehnen würden. Dieser Schritt hatte dann schlie?lich geklappt. Zuckerbrot und Peitsche, nannte man sowas. Dennoch lie? sie irgendwie der Gedanke, dass diese vielleicht doch noch irgendetwas Aufrührerisches in sich hatten, nicht los und das, obwohl sie wusste, dass es eigentlich keinen logischen Sinn für diese machte. Allerdings wusste sie von der Existenz einiger im Hause Duenitz, die insgeheim immer noch den alten ketzerischen Dogmen anhingen. Ihre Spione hatten ihr das mitgeteilt.

  Sehr bald kam die Frau in ihrem Zimmer an. Sie erledigte noch ein paar unmittelbar notwendige Arbeiten, danach schnappte die Pergamentrolle aus ihrer Tasche, die ihr der Soldat vorhin überbracht hatte. Ihre mittlerweile gealterten, leicht faltigen Augen betrachteten das Siegel genau. Es schien das echte zu sein, da es die ihr bekannten ?Fehler“ rechts oben aufwies. Diese Dame konnte man nicht mit einer F?lschung t?uschen. Somit ?ffnete sie das Ding und begann zu lesen. Im Grunde war es nur eine recht kurz gehaltene, pr?gnante Schilderung dessen, was der Trupp von Ritter Gawein im Norden, nicht weit von der Grenze zu Ordanien, bewerkstelligt hatte. Gawein wurde dabei wieder in h?chsten T?nen gepriesen. So sehr ihr so etwas missfiel, musste sie doch zugeben, dass der Mann ein sehr f?higer Kriegsherr und Anführer war. überall wurden Gerüchte über ihn verbreitet, die ihn als einen legend?ren Ritter und Helden bezeichneten und ihn in den Himmel hoben. Einer der Mythen über ihn sprach sogar davon, dass er einst in jungen Jahren einen Drachen get?tet hatte und das, obwohl Gabriela genau wusste, dass es solche Kreaturen nur im M?rchen gab. Dennoch erlaubten sie und der K?nig die Bildung solcher Sagen um den Ritter. Er war ein treuer Diener des K?nigshauses und es würde ihnen nur helfen, wenn ein solcher Mann gro?es Ansehen in der Bev?lkerung hatte. Au?erdem war dies immer noch gegenüber einem Hexer, der ?von Gott erkoren“ war, wie es in der Propaganda der Melgaristen hie?, zu bevorzugen. Dies war leider die Natur des Menschen. Man konnte einer guten Sage, einem ?Helden“, der das Unm?gliche schaffte, einfach nicht widerstehen.

  Der Kult, der sich in der Zeemark gebildet hatte, welcher der Vermutung nach mal wieder Melgaristisch war, weil das mit solchen Gruppen meistens der Fall war, war dem Bericht nach nun ausgel?scht. Damit konnte sich die Beraterin zumindest einer guten Nachricht erfreuen. Alle anderen Entwicklungen waren in letzter Zeit weniger ?berauschend“ gewesen. In allen K?nigreichen und L?ndern des Bundes waren Probleme und überall waren die fünf Bundesritter damit besch?ftigt, diese in den Griff zu bekommen. Jedoch anstatt besser zu werden, wuchsen diese immer gr??er an. Doch sie würde niemals nachgeben. ?Diese Revisionisten würden niemals siegen, solange sie hier war!“, dachte sich die Frau.

  Ein kleiner Junge in edler Kleidung sa? unterdessen auf dem marmornen Gel?nder der breiten, langen Stiegen des Palastes, die in Richtung der Gartenanlage abstiegen. Er war nur k?rperlich klein und nicht so jung, wie es seine K?rpergr??e vermuten lassen würde. Der Bursche hatte seine Arbeit für den heutigen Tag erledigt und entspannte sich ein wenig, indem er über die G?rten und in Richtung der Stadt blickte und etwas frische Luft schnappte. Neben ihm wehte auf einem Hohen Fahnenmasten die goldene Greifenfahne des K?nigreiches und eine Fahne mit dem Wappen des K?nigshauses. Die Gartenanlage, die er bestaunte, war erst vor wenigen Jahrzehnten erweitert worden. Der Palast selbst war schon viel ?lter. Dennoch war das Geb?ude nicht sonderlich gro?, wenn man bedachte, dass es der Sitz des Herrschers vom ganzen Kontinent war! Das war deshalb so, weil dies ursprünglich nur eine Pfalz gewesen war, welche sp?ter zum Hauptherrschaftssitz umfunktioniert wurde. In der Distanz, also au?erhalb der Palastmauern war die gesch?ftige Stadt zu sehen. Sie hatte schon einige gr??ere Geb?ude, jedoch war sie nichts im Vergleich mit der Monumentalarchitektur von Meglarsbruck, der alten Kaiserstadt. Es gab ein paar vom ersten Dynasten des Haus Sorenstein angelegte, breitere Alleen, an denen entlang, ganz im Stile der ehemaligen Kaiserstadt, Linden gepflanzt waren. Auch eine gro?e Bibliothek war hier errichtet worden, die mit den riesigen Buchbest?nden, die aus Meglarsbruck hierher überführt worden waren, gefüllt war. Im neuen Viertel der Stadt war auch eine gro?e Kaserne errichtet worden, die wie eine Burg aussah.

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  Sei’s drum, der Junge fing an sich zu langweilen und sprang vom Gel?nder. In dem Moment sah er aber schon die k?nigliche Beraterin, Gabriela neben sich stehen. ?Frau Mutter!“, rief er da, etwas überrascht. Die langsam ?lter werdende Dame strich ihrem Sohn über den Kopf und sagte: ?Komm, machen wir einen kurzen Spaziergang, Lucius. Ich bin jetzt auch schon mit meiner Arbeit für heute fertig.“ Der verhaltene Junge nickte ihr zu und sie gingen die Treppen hinab. Morgen würde sie dem K?nig von den Themen und den Ergebnissen der heutigen Besprechung berichten müssen. Sie blickte etwas bange auf diesen Moment hin.

  Einstweilen befand sich der Prinz, Maximilian II., in seinen Gem?chern. Er war nun wieder sauber und sch?n angezogen. Pl?tzlich klopfte es an der Tür. Der junge Mann bat die Person herein. Es handelte sich um eine Wache der k?niglichen Leibgarde. ?Mein Herr, ihr Vater, der K?nig, bittet um ihre sofortige Anwesenheit.“ – ?Sie hat aber meine Mutter geschickt, nicht wahr?“, fragte Maximilian. Die Wache antwortete: ?Dies dürfte, in Bezug darauf, keine Rolle spielen. Ich bin beauftragt, sie jetzt und auf der Stelle zu seiner Majest?t zu geleiten, in Betracht dessen, dass Sie bis jetzt versucht haben der Audienz mit Seiner Hoheit auszuweichen. Der junge Prinz schnaufte kurz und folgte dann der Wache. Er wurde bis direkt vor die Tür begleitet und klopfte an.

  Maximilian II. betrat den Raum und sah seinen Vater Maximilian I. oder, um genau zu sein, sah er dessen Rücken. Seine Hoheit sa?, dem Anschein nach, in Seine Arbeit vertieft am Schreibtisch. Lediglich dessen Hand war zu sehen, in der er eine Feder hielt und an deren Mittelfinger er einen Siegelring mit den Initialen ?M.R.“ trug. Er würde sich nicht von seiner Arbeit abwenden und begann, ohne sich umzudrehen, mit seinem Sohn zu sprechen: ?Faulheit steht sich nicht und wird nicht von mir toleriert, geschweige denn belohnt werden. Deine Lehrer haben mich informiert, dass du nachl?ssig bei deinen Studien bist. Als künftiger Herrscher dieses Landes musst du wissen, wer die V?lker sind, die du regierst, aber auch, wie das Land und deren Verwaltung funktionieren und wie man an die L?sung von Problemen herangeht.“ – ?Ich wei?, Vater. Das ist auch absolut korrekt. Doch ein K?nig kann und wird niemals alles wissen, daher ernennt er ja auch Leute, die sich mit Dingen auskennen, zu Ministern. Zumeist ist eher das Dirigieren des K?nig’s Aufgabe.“ – ?Diese Einstellung ist nur eine Rechtfertigung, um dich nicht anstrengen zu müssen. Ich werde das, wie gesagt, nicht tolerieren! Deine Lehrer werden in n?chster Zeit ein paar mehr Unterrichtsstunden mit dir abhalten, bis du das Niveau erreichst, das erwünscht ist.“ Zornig verzerrte der junge Maximillian das Gesicht. Um keine Probleme mit Seiner Majest?t zu bekommen, verabschiedete er sich h?flich, doch gleichzeitig stampfte er wütend bei der Türe hinaus. Sein Vater, über ein paar Pergamente, die wichtige Angelegenheiten behandelten, gebeugt, schüttelte nur den Kopf.

  Es war schon in den Abendstunden. Auch hier in Olemar war der Himmel wolkenverhangen. Ein ?rmlich, aber nicht ganz so übel wie ein Bettler, bekleideter Mann schlich die Gassen der Stadt entlang. Er hatte schwarze Haare. Die Person huschte schnell um eine Ecke in eine Seitengasse, wo sich drei andere Gestalten versammelt hatten. ?Na, Jungs! Wie sieht’s nun aus mit euch?“, begann er die Unterhaltung. Beim Sprechen waren seine Z?hne sichtbar geworden, welche schief und teilweise schwarz, also in sehr schlechtem Zustand aussahen. Er war ganz offensichtlich zu den untersten Schichten geh?rend. Eine der anderen Personen antwortete: ?Ich bin dabei. Von diesen Mistkerlen hab ich endgültig genug!“ Die anderen stimmten ihm zu. Daraufhin sprach der mit den schlechten Z?hnen: ?Sehr gut. Kommt in einer Woche zu uns. Sammelt noch alles zusammen, was ihr braucht, und entscheidet was ihr nicht braucht und, wenn ihr es euch nicht anders überlegt habt, dann kommt in die Schmiedegasse 8. Klopft viermal an die kleine grüne Hintertür an. Das Passwort ist“, er schaute nochmal schnell über seine Schulter, nur um zu schauen, ob niemand ihn belauschte, ?Dackelbracke“. Dann hatte einer noch einen Einwurf: ?Also, sollen wir mit euch fortziehen und alles zurücklassen?“ – ?Ja, das ist die Idee dahinter. Drum hab ich auch gesagt, dass wir euch noch Zeit geben, um es euch wirklich gut zu überlegen. Hier in der Stadt, k?nnen wir euch nicht ausbilden und in die Organisation eingliedern. Das geht nur in von uns kontrolliertem Territorium.“ Die M?nner schauten ihn kurz an und nickten schlie?lich kurz. Der Mann nickte ihnen zurück und flüsterte leise: ?Dann hoffentlich bis in einer Woche. Preiset die M?rtyrer.“ Die anderen drei erwiderten die Parole nicht. In absehbarer Zeit würden sie sie allerdings auch benützen.

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