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008.1 Flucht (Teil 1)

  Entlang einer Landstra?e rollte ein Wagen. Es war ein einfaches Pferdegespann mit einem überdeckten Gütertransportwagen, der mit F?ssern beladen war. Vorne sa? ein Fahrer, hinten unter der überdachung zwei Weitere. Alle trugen sie einfache graue Kleider, die aber keineswegs sch?big waren. Die Sonne stach f?rmlich vom Himmel. Das Gef?hrt polterte langsam über die unebene, staubige Stra?e. Es herrschte komplette Windstille. Die beiden im hinteren Teil des Wagens tauschten keine Worte aus, wofür die Hitze ein Mitgrund war. Jedoch war sie nicht der einzige.

  Der andere Grund war, dass Wenzel von Natur aus nicht recht gespr?chig war. Ja, einer der beiden war Wenzel! Die anderen zwei waren von den Widerstandsk?mpfern. Der Junge reiste nun mit ihnen, nachdem er aus der Schule, wegen der Geschehnisse dort geflohen war. Für ihn war es, als h?tte er keine Wahl gehabt. Viele Dinge gingen ihm jetzt durch den Kopf und die Ereignisse spielten sich vor seinem inneren Auge wieder und wieder ab. Darum sa? er nun still da und sinnierte. Der Wagen blieb kurz an einem gr??eren Stein h?ngen, überwand diesen dann aber, wodurch das gesamte Gestell wild hin und her wackelte. Der Bursche blickte zu seinem Gegenüber. Der Mann hatte sich bei ihm als Harald vorgestellt und er war derjenige, der ihn vor wenigen Tagen entführt hatte. Jetzt waren sie auf der Flucht.

  Wenzel hatte ihnen erkl?rt, dass er so schnell wie m?glich weg aus Olemar müsse, weil man ihn verfolgte, woraufhin diese dann sofort in Aktion traten. Sie verkleideten sich folglich als Weinh?ndler und verlie?en die Stadt schnellstm?glich gen Süden. Und hier waren wir nun. Irgendwohin Richtung Süden ging die Reise. Schlie?lich sprach er: ?Wo genau fahren wir jetzt hin?“ Harald antwortete: ?Er….?h…Wenzel! Wir fahren in die südlichen L?nder, wo wir unser Hauptquartier haben. Dort stellen wir dich dann dem Anführer vor.“ Der Junge hatte ihnen mit Nachdruck gesagt, dass sie ihn ganz einfach nur als ?Wenzel“ ansprechen sollen, da er ansonsten b?se auf sie werden würde. Zum Glück taten sie dies jetzt auch oder versuchten es zumindest. ?Vorher machen wir aber noch einen Zwischenstopp in…wie hei?t der Ort nochmal? Ach, ja, Templin. Ich hab einen Boten ausgeschickt, dass sich ein Koordinator mit uns dort trifft, um weitere Schritte zu beraten. Ist ja nicht so, als würden wir st?ndig an einem einzelnen Ort bleiben. Also, um zu wissen, wo genau der Anführer und das Hauptquartier momentan sind, müssen wir erst mal ?koordinieren“.

  Der Junge hatte das schon verstanden. Aber er fragte sich trotzdem was jetzt passieren würde. Was hielt die Zukunft für Wenzel bereit? Wie würden diese religi?s motivierten Widerstandsk?mpfer tats?chlich sein? Was würde aus Peter oder Amalie werden? Wie würden seine ?Eltern“ reagieren, wenn sie vom Schicksal Aurels erfuhren? Fragen über Fragen, über die er auf der langen Reise nachdenken konnte. Es war aber eine sehr anstrengende Reise in einem Wagen, in dem man jeden Kieselstein, den dieser überfuhr, spüren konnte, noch dazu in sengender Hitze!

  Doch Wenzel war nicht der Einzige, der unter der Hitze litt. Auf ihrer Fahrt kamen sie immer wieder an Bauern, Holzf?llern und anderen Leuten vorbei, die ihrer Arbeit nachgingen. Der Bursche sah, wie sie bei unmenschlichen Temperaturen das Korn ernteten und droschen. Ihm fiel auch auf, wie viele von ihnen dünn und ausgehungert waren. Des ?fteren setzte sich Wenzel nach vorne neben den Fuhrmann, um besser die Gegend und die Menschen betrachten zu k?nnen, die sie passierten. Oft sah er M?nner, die nur Lumpen trugen, mit abgenutzter, fast schon lederner Haut, die unter der Sonne schmachteten. Das hatte er noch nie gesehen. ?Was für ein hartes Leben.“, ging es Wenzel da durch den Kopf. Trotzdem war Wenzel auf der Reise auch absolut fasziniert von der Natur seines Heimatlandes. Immerzu blickte er hinaus über die weiten Felder. Die Berge in der weiten Ferne rückten dabei stetig n?her. Das erste Mal sah der Junge nun mehr vom Land.

  Mehrere Tage sp?ter erreichten sie dann Templin oder, um genau zu sein, ein kleines Waldstück au?erhalb des Dorfes. Als sie sich ann?herten, sahen sie bereits eine Person mit Kapuze – bei dem Wetter! – auf einem Baumstamm sitzend, warten. Das Gef?hrt blieb stehen. Alle stiegen einmal aus, froh nach all der langen Fahrt mal die Fü?e vertreten zu k?nnen. Auch die M?nner streckten sich erst mal. Dann gingen sie aber sogleich zu der Person, die sie empfing, hinüber. Sie nahm die Kapuze vom Kopf und enthüllte ihre braunen, gelockten Haare, die sie in einem Haarknopf zusammengebunden hatte. Auch Wenzel kam heran. Die Dame hatte ?u?erst sanfte Gesichtszüge und war definitiv als hübsche Frau zu bezeichnen. ?Preiset die M?rtyrer!“, ert?nte es von allen Beteiligten. Dies schien offenbar ihre Standardgru?formel zu sein. Danach machte die Frau einen seltsamen Handschlag mit Harald. Es handelte sich wohl um einen geheimen Handschlag der Gruppe, um sich gegenseitig identifizieren zu k?nnen.

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  Zufrieden wandte sie ihren Blick dann auf Wenzel. ?Das ist er also?“, fragte sie die beiden M?nner. ?Ja“, kam es kurz zurück. Auf eine für Wenzel fast schon witzige Weise neigte sie ihren Kopf zur Seite und betrachtete den Jungen genau, fast schon so, als ob sie irgendetwas an seinem ?u?eren erkennen wollte. Sie kam n?her an ihn heran und schaute ihm in die Augen. Dann sprach sie: ?Mein Name ist Irnfrid. Nett dich kennenzulernen!“ – ?Ich hei?e Wenzel. Gleichfalls eine Freude“, entgegnete er.

  ?Und du kannst also Wunder wirken? Du wei?t schon, Dinge machen, die niemand anderer kann, die eigentlich unm?glich sind?“ Wenzel nickte. Sie schaute ihn nur an, nicht auf irgendeine b?se, sondern eher eine interessiert, neugierige Weise. Da kam es dem Jungen pl?tzlich, dass sie wahrscheinlich sehen wollte, was er konnte. Sie wollte einen Beweis dafür, dass er wirklich ein Magier war. ?Nun denn!“, dachte sich Wenzel. Er hob vom Boden ab, schwebte zu den ?sten der hohen B?ume hinauf und setzte sich auf einem Ast ab. Das Staunen, aber vor allem die Freude war ihr da f?rmlich ins Gesicht geschrieben. Wenzel sprang wieder herab und führte weiter aus: ?Ich kann auch ?fters die Zukunft in meinen Tr?umen sehen. Ich hab aber keine Ahnung, wie ich das herzeigen k?nnte.“ Die Frau klopfte sich mit der rechten Hand dreimal hintereinander aufs Herz, eine religi?se Geste, die Wenzel bekannt war. Dann sprach sie leise zu sich: ?Gelobt sei der Herr!“

  Somit schloss sich Irnfrid der Gruppe an. Sie würde sie zum Anführer der M?rtyrerbrigaden geleiten. Jetzt machten sie aber noch Pause. Sie packten ihr mitgebrachtes Essen aus, was im Grunde nur Brot und K?se war und setzten sich auf eine Jause zusammen. Wenzel durfte natürlich so viel mitessen, wie er wollte. Er hielt sich aber zurück, da er sehen konnte, wie wenig sie insgesamt hatten.

  ?Die Rekrutierung verlief halbwegs gut diesen Monat“, begann der Mann, dessen Namen Wenzel schon wieder vergessen hatte, zu erz?hlen. ?Zehn Leute insgesamt. Das kann sich schon sehen lassen.“ Die Frau erwiderte: ?Das alles ist schon gut, aber ich glaube, dass du hier untersch?tzt, dass das immer noch erst der Anfang ist, obwohl wir schon viele Jahre so wachsen. Alle wichtigen Voraussetzungen sind erfüllt und jetzt das. Gott hat uns das gr??tm?gliche Geschenk bereitet!“ Wenzel wusste, dass von ihm die Rede war.

  Generell sa? Wenzel die ganze Zeit nur so dabei, aber sprach nicht mit ihnen. Er kannte diese Leute nicht. Vor allem aber war er gedanklich immer noch verfolgt von all dem, was in der Schule passiert war. Nach einiger Zeit stupste ihm Irnfrid am Oberarm und fragte: ?Ist eh alles okay? Brauchst du etwas, Erkorener?“ Das konnte Wenzel schon mal überhaupt nicht ausstehen. ?Bei mir ist alles bestens, danke! Aber ich will dich um eines bitten. Nenn mich bitte einfach Wenzel, okay? Ich kann euer Gerede vom ?Erkorenen“ wirklich nicht verstehen. Ich bin Wenzel. Einfach nur Wenzel, okay?“

  Die Dame schaute ihn verwirrt an und tauschte dann Blicke mit den beiden anderen Herren aus. Diese wussten scheinbar auch nicht ganz, wie sie mit der Situation umgehen sollten und machten nur irgendeine unverst?ndliche Handbewegung. Dann sagte sie kurzerhand: ?Aber sicher doch, Wenzel.“ Um ihr Vergewisserung zu geben, fügte Wenzel jetzt noch hinzu: ?Ich will ja, dass wir Freunde sind. Und Freunde nennen sich gegenseitig beim Vornamen.“ Daraufhin brachte sie ihm ein breites Grinsen entgegen.

  Dennoch war der Bursche etwas befremdet von ihnen. Er wusste, dass er besonders war und, dass so etwas definitiv Leute faszinieren würde. Allerdings verstand er nicht, wieso diese Gruppe ihn immer gleich als den Erkorenen ansprachen. Waren diese Menschen so indoktriniert und von der Realit?t entfremdet, dass sie sofort einen Messias aus jedem machten, der Magie beherrschte? Der Junge war leicht verunsichert, aber war sich auch sicher, dass ihm von diesen nichts Schlechtes drohte.

  Sie beendeten ihre Mahlzeit, ruhten sich noch ein wenig aus und begannen sich dann schlie?lich wieder auf den Weg zu machen. Die drei spannten Irnfrid’s Pferd dann zum anderen am Wagen dazu und alle stiegen ein. Von den Weinf?ssern an Bord würde übrigens niemand heruntertrinken, da es verd?chtig w?re, wenn sie jemand aufhalten würde und die Ware, die sie ?verkaufen“ wollten, nur noch zur H?lfte da w?re. Diesmal nahm Irnfrid die Zügel in die Hand. Und schon ging die Reise weiter.

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