home

search

009.3 Kür (Teil 3)

  Die Herrschaften wollten schon das n?chste Thema beginnen, doch bevor jemand ansetzen konnte, um irgendetwas Weiteres zu sagen, hatte Wenzel allerdings eine Frage and die Geistlichen. ?Haben sie irgendein Wissen über Magie? Also ich meine, wie sie funktioniert und wie man Verschiedenes damit machen kann oder was man nicht damit machen kann?“ Die Herren schauten sich anfangs etwas verdutzt an. Dann antwortete der Patriarch selbst: ?Die Wundertaten der Erkorenen und Heiligen über die Jahrhunderte sind in Geschichtsbüchern, Chroniken und Legenden festgehalten. Ich sch?tze aber einmal, dass all dies auch aus den Schulen des Regimes verbannt wurde.“ Der Bursche best?tigte ihn. Diese Aussage hatte ihn jedoch zum n?chsten Gedankengang geführt. ?Aber die Information existiert. Sie ist auffindbar, oder?“ – ?Das ist sie, ja. Die gro?e Bibliothek von Melgarsbruck beinhaltet nicht nur eine riesige Sammlung an Wissen zu allen erdenklichen Themen, sie hat auch Abteilungen mit beschr?nktem Zugang, die die Kaiser des alten Reiches angelegt hatten. Ich würde meine Ehre darauf verwetten, dass dort auch streng geheimes Wissen zu Magie auffindbar ist.“

  Mit dieser Auskunft war Wenzel nun zufrieden. Er müsste sich einstweilen selbst, also durch Versuch und Irrtum, Zauberei beibringen. Aber er wusste nun, dass es durchaus strukturiertes Wissen darüber gab. Ein Ziel des Jungen für die Zukunft stand nun fest: Die Bibliothek von Meglarsbruck aufsuchen und dort mehr über sich selbst erfahren. Der Grund dafür war unter anderem, dass der Unfall, der seinem Bruder das Leben kostete, auch auf Wenzels Unwissen über seine eigenen Kr?fte zurückzuführen war. Um seine eigenen F?higkeiten beherrschen zu k?nnen, müsste er sich auch erst einmal verstehen lernen. Wie und wann er dieses Ziel verfolgen würde, wusste er aber noch nicht. Sich in die Bibliothek hineinzuschleichen, w?re wohl in Anbetracht der aktuellen Lage im Land ?u?erst riskant.

  ?Der n?chste Punkt, den es unbedingt zu kl?ren gilt, ist die Erziehung seiner Hoheit!“, begann das Kirchenoberhaupt nun zu sprechen. Wenzel fühlte sich unwohl dabei so adressiert zu werden. ?Es scheint wohl klar, dass er weder das Erwachsenenalter erreicht hat, noch die religi?se Erziehung, die notwendig w?re, erfahren hat. Gem?? unseres Abkommens, Oberster Anführer Theodor, wird die Kommune diese Aufgabe übernehmen.“

  Diese Aussage durchfuhr Wenzel, wie ein Paukenschlag in einer Bibliothek! Er erhob seine Stimme und meinte, dass er sehr wohl schon achtzehn Jahre alt, also erwachsen, war. Die Herrschaften schauten ihn nur an und absolut niemand glaubte ihm. Der Junge war zwar relativ hoch gewachsen für sein Alter, jedoch hatte er noch ein ziemliches Milchgesicht. Dies war sehr schlecht. Wenzel wollte so etwas auf keinen Fall! Dann intervenierte aber Theodor: ?Dies war durchaus unsere Abmachung, jedoch denke ich, dass der Erkorene in jeder Hinsicht einen Sonderfall darstellt.“ Widerwillig mussten ihm die Geistlichen gewisserma?en recht geben. ?Fragen wir ihn doch selbst.“ Dann wandte er sich an den Jungen: ?Was willst du, Wenzel?“

  Da kamen ihm einen Haufen Dinge in den Sinn, doch das Erste, was sich für ihn richtig anfühlte, was Wenzel aus der Seele sprach, ?u?erte er, ohne genug darüber nachgedacht zu haben: ?Ich m?chte in die Welt hinaus und Abenteuer erleben.“ August, der in einem Sessel mit Armlehnen sa?, legte die Stirn auf die Hand, mal wieder. Ein sehr sanftes L?cheln war in Theodors ernstem Gesicht als Reaktion darauf zu sehen. Dann sagte er: ?Wenn es das ist, was du willst, dann k?nnen dir die M?rtyrerbrigaden sicher die Welt zeigen und mit dir Abenteuer erleben, wenn wir das Land befreien!“ – ?Das ist v?llig unverantwortlich!“, fauchte einer der Erzbisch?fe. Selbstzufrieden antwortete der Anführer: ?War nicht selbst Melgar, gelobt sei sein Name, von jungen Jahren an auch ein K?mpfer und Milit?rführer Camenias? Wer seid ihr, den Willen des Erkorenen zu hinterfragen?“ Darauf waren die Erzbisch?fe baff. Sie wussten nicht, was sie dem entgegnen sollten. Im Hintergrund konnte man Brahm sehen, der sich das Lachen verhielt. Er hatte, aber gleich wieder seine Fassung erlangt, als Isidor ihn in die Seite stie?. ?Wenn er wahrhaftig ist, dann findet er von selbst zu Gott und zur Wahrheit!“

  All dies war sichtlich zur Missgunst der Altgl?ubigen Kirche. Einer der Bisch?fe begann mit ihm zu argumentieren: ?Aber es w?re doch wesentlich besser, wenn der künftige Souver?n etwas von Herrschaft versteht. Hierfür ist ein Grundstock an Wissen notwendig, den die Kirche bereitstellen kann.“ Die Aussage war in gleichem Ma?e an Theodor und Wenzel adressiert. Der schüchterne Wenzel antwortete natürlich wieder einmal nicht, ohne aufgefordert zu werden, doch Theodor gab Konter. ?So viel ich wei? hat der Junge Bildung erfahren. Und er wird wohl nicht dumm genug sein eine Ideologie zu unterstützen, die ihn pers?nlich beseitigen will! Der Erkorene ist hier bei uns, weil er uns braucht, und wir brauchen ihn. So einfach ist die Sache.“ Die alten M?nner waren ganz offensichtlich nicht vorbereitet auf eine solche verbale Auseinandersetzung. Wahrscheinlich hatten sie angenommen, dass Theodor sich einfach fügen würde.

  Unauthorized use of content: if you find this story on Amazon, report the violation.

  Schlie?lich wandte er sich mit der entscheidenden Frage an Wenzel: ?Willst du bei uns oder willst du bei der Kirche bleiben?“ Der Junge antwortete, ohne zu z?gern, im Sinne der M?rtyrerbrigaden. Brahm, Isidor und August begannen darauf alle drei voll Freude zu grinsen. Es war keine Schadenfreude, sondern eine echte Freude, die von Herzen kam. ?Solltet ihr Eure Meinung ?ndern, steht Ihnen die Kommune jederzeit zur Seite“, erg?nzte der beleidigte Patriarch. ?Gottes Segen und gute Reise!“ Daraufhin verabschiedeten sich dann alle. Die Gruppe ging wieder nach vorne und zur Tür hinaus. Dort setzten sie sich dann noch zusammen, gaben den Pferden etwas zu trinken und a?en auch ihre mitgebrachte Jause.

  Als Wenzel an seinem Brot a? sprach ihn, der ihm gegenüber sitzende Theodor an und sagte: ? Mach dir keine Sorgen. Wir werden schon einen Mann aus dir machen!“ Dann adressierte er seine zwei Leibw?chter: ?Also, M?nner! Wenzel wird künftig von euch das K?mpfen lernen. Und ich meine damit Schwert und Speer.“ – ?Jawohl!“, erwiderten diese gemeinsam. Da stotterte der Junge etwas zaghaft klingend: ?Ich….wei? nicht.“ – ?Doch, das machen wir! Das ist absolut notwendig. Ansonsten endet unser sogenanntes Abenteuer nur in der Katastrophe“, befahl es der Anführer. ?Ein wenig Zeit so zu verbringen wie unsere bodenst?ndigen Jungs, wird sicher einen guten Einfluss auf den Charakter des Erkorenen haben.“ Zwar war Wenzel verunsichert, doch er war sich auch im Klaren, dass Theodor recht hatte. Er war ein Schw?chling, schon allein sein Bruder hatte ihm das immer wieder bewiesen.

  Nach dem Essen hie? es wieder aufsitzen. Bevor sie losritten sagten sie einem der Erzbisch?fe, der nochmals herausgekommen war, um sie zu verabschieden ihr Lebewohl, dann gings wieder zurück ins Lager. W?hrend sie beim Dorfeingang wieder hinausritten, fiel dem Anführer noch etwas ein. ?Oh, und, dass wir’s nicht vergessen! Ihr zwei müsst Wenzel dann noch einen Treueeid schw?ren. Immerhin ist er jetzt offiziell der Erkorene!“ Auf der restlichen Rückreise laberten die M?nner sonst nur eher über Belangloses. Wenzel war Gro?teils wieder still. Durch seinen Kopf gingen aber allerhand Dinge, über die er nun Zeit hatte nachzudenken.

  Der Ablauf der Ereignisse hatte einen doch verd?chtigen Verlauf genommen, besonders in Bezug auf Theodor und dessen Handlungen. Warum also hatte Theodor ihm geholfen? Er hatte sich eindeutig kluge Argumente und die richtigen Worte zurechtgelegt, um die Kleriker zu kontern. Da kamen Wenzel wieder die Worte Augusts in den Sinn. K?nnte der Anführer der M?rtyrerbrigaden etwas planen, von dem er und auch die anderen nichts wissen? Aber was k?nnte das dann sein? Hmmmm. Was auch immer es war, der Oberste Anführer der Revolution?re hatte nun seine Hand über den Erkorenen. Offiziell war er sein Beschützer.

  Als sie wieder ins Lager zurückkamen, war es schon wieder Abend geworden. Die gro?e Hitze hatte die heutige Reise auch recht anstrengend gemacht. Alle Gef?hrten sahen aber bei der Rückkunft noch ziemlich tatkr?ftig und schwungvoll aus. Nur Wenzel war geschreddert. Er war fertig. Sowieso, würde sein Training erst am morgigen Tag beginnen, doch er half noch mit ein paar simplen Arbeiten mit, die vorm Sonnenuntergang erledigt werden mussten. Am Abend fiel er dann todmüde in die Federn.

  Er hatte noch nicht über alles, was heute passiert war, so richtig reflektiert. Erst im Laufe der n?chsten Tage würde es dem Jungen vollumf?nglich bewusst werden welche Rolle man ihm an diesem Tag aufgezwungen hatte und welche Verantwortung man ihm damit für seine Zukunft aufgebürdet hatte. Die Ereignisse würden nun Fahrt aufnehmen und eine Dynamik entwickeln, derer auch er sich nicht widersetzen konnte. Ohnehin war er bisher Gro?teils nur vom Strom mitgerissen worden, jedoch würden die Stromschnellen nun wilder werden und sie alle würden in gef?hrlichere Gew?sser geraten. Der Tag der Kür einer neuen Dynastie war verstrichen.

  Des Nachts kamen dann seine Visionen zurück. Wenzel lag auf seinem Rücken, in einem echten Bett, nicht einem Zelt, wo er sich eigentlich schlafen gelegt hatte. Er griff nach seinem Amulett, nur um festzustellen, dass dieses nicht mehr um seinen Hals hing! Da durchfuhr ihn eine Panik und er sprang vom Bett auf, sodass die Bodendielen unter seinen Fü?en laut quietschten. In der Finsternis, sah er eine Gestalt bei der Tür hinauslaufen. Der Bursche nahm die Verfolgung auf! Er stürmte die Tür hinaus und einen Gang entlang. In einer gewissen Distanz konnte er eine Person vor sich ausmachen. Er rannt ihm durch die n?chste Tür hinaus ins Freie nach. Er lief so schnell seine Fü?e ihn tragen konnten. Doch dann stolperte er pl?tzlich über irgendwas, das er in der Dunkelheit übersehen hatte. Er schlug auf den Boden auf und………….der Traum endete.

  Den Jungen riss es abrupt aus dem Schlaf. Seine zwei Kollegen im Zelt schreckte es auch und sie fragten ihn, was denn los sei. Wenzel aber antwortete nicht und schaute nur nach seinem Amulett. Es war genau da, wo es immer war, um seinen Hals. Der Junge atmete durch. Auf dem relativ harten Zeltboden sitzend dachte er sich: ?Alles ist gut. Es war nur wieder ein Traum.“ Dann legte er sich wieder schlafen. Erst am n?chsten Morgen hatte er ein Gespr?ch mit Isidor und Brahm, bezüglich der Wichtigkeit seines Amuletts und diese versicherten ihm, ihn gut zu bewachen.

Recommended Popular Novels